Warnung vor neuem Protektionismus

Obama will sich durch Schutzzölle die Unterstützung der Gewerkschaft für seine Gesundheitsreform sichern.
Nur wenige Wochen vor dem Weltwirtschaftsgipfel in Pittsburgh (US-Bundesstaat Pennsylvania) spitzt sich der Handelsstreit zwischen den USA und China weiter zu.

Mit dem Erlass von Schutzzöllen auf Autoreifen aus China hat US-Präsident Barack Obama am Wochenende für heftige Reaktionen aus Peking gesorgt. Das chinesische Wirtschaftsministerium kündigte die Prüfung von Preisdumping bei Hühnerfleisch und Automobilteilen aus den USA an und wollte Klage bei der Welthandelsorganisation (WTO) einlegen.

Strafzölle "gegen die Regeln"
Die US-Strafzölle seien "missbräuchlich" und "gegen die Regeln" des Welthandels, ließ Peking verlauten. Ein Sprecher des chinesischen Handelsministeriums kritisierte, die US-Zölle "verletzen die WTO-Regeln".

Gleichzeitig wurden in China Stimmen laut, die den USA gerne eine "Lektion erteilen" würden. Die US-Handelskammer sah sich deshalb genötigt, ein Statement zu verteilen, in dem vor einer Eskalation der Situation gewarnt wird, wie die "Neue Zürcher Zeitung" ("NZZ") am Dienstag berichtete.

Versöhnliche Töne von Obama
Von US-Präsident Barack Obama selbst waren am Dienstag versöhnlichere Töne zu hören. Er sei absolut sicher, dass ein Handelskrieg zwischen beiden Ländern verhindert werden könne, sagte er dem Fernsehsender CNBC.

"Es ist im Interesse Chinas, der USA und der gesamten Welt, dass wir Protektionismus vermeiden - besonders angesichts der Tatsache, dass sich der Welthandel nach einem starken Einbruch im vergangenen Jahr gerade wieder zu erholen beginnt."

Ungleichgewicht USA - China wächst
Doch die Erholung nach der Wirtschaftskrise bereitet den USA Kopfzerbrechen. Während China gestärkt aus der Krise hervorgeht und mit hoch subventionierten Billigprodukten die Märkte überschwemmt, haben die USA mit einem wachsenden Handelsdefizit zu kämpfen. Und der erwartete Wirtschaftsaufschwung könnte dieses Missverhältnis weiter verschärfen.

Kritik an Protektionismus
In dieser Situation setzte Obama anscheinend auf eine alte Wahlkampfidee: die heimische Industrie durch Strafzölle vor Billigprodukten aus dem Ausland zu schützen. Doch bereits vor einem Jahr musste Obama für diesen Plan verbale Prügel einstecken. Wirtschaftsexperten aus der ganzen Welt sprachen sich damals vehement gegen Protektionismus aus.

35 Prozent Zoll auf chinesische Reifen
Nun hat Obama dem Druck der Gewerkschaft nachgegeben. Drei Jahre lang sollen billige Reifen mit anfangs 35 Prozent, später mit 25 Prozent Zoll belegt werden. Die Gewerkschaft argumentierte, dass sich der Import in den vergangenen fünf Jahren verdreifacht und zum Abbau von 5.000 Arbeitsplätzen in den USA beigetragen habe.

Klausel 421
Die Strafzölle werden durch eine Ausnahmeregelung ermöglicht, die beim Beitritt Chinas zur WTO vor acht Jahren beschlossen wurde. Damals wurde unter der Klausel 421 festgehalten, dass Schutzzölle angebracht seien, wenn die US-Industrie "beträchtlich gefährdet" sei. Angewendet wurde die Klausel bisher aber noch nie.

US-Hühnerfleisch im Visier
Doch der Schuss könnte nach hinten losgehen. Peking argumentiert seinerseits, dass mit den Strafzöllen 100.000 Arbeitsplätze in China vor dem Aus stünden. Auf die dortige Reifenindustrie kämen Belastungen von etwa einer Milliarde Dollar (687 Mio. Euro) zu. China kündigte daher an, mögliche unfaire Praktiken der USA beim Export von Autoteilen und Hühnerfleisch zu prüfen.

Obamas Probleme mit den Gewerkschaften
Aber auch innerhalb der USA werden kritische Stimmen laut. So sagte der frühere Wirtschaftsberater von Ex-Präsident George W. Bush, Daniel Price, gegenüber dem "Wall Street Journal" ("WSJ"), die Entscheidung sei "keine ökonomische" gewesen. Vielmehr stecke die Gesundheitsreform dahinter, so Price.

Bei seinen Reformplänen könnten Obama die mächtigen Stahl- und Autogewerkschaften im Mittleren Westen wichtige Stimmen bringen, analysierte die "New York Times". Und von denen wurden die Zölle freudig begrüßt.

Auch das chinesische Staatsfernsehen habe Obamas Schritt mit innenpolitischen Problemen bei der Durchsetzung der Gesundheitsreform in Verbindung gebracht, so das "WSJ".

Obamas Seiltanz
Gerade in Hinblick auf den Gipfel der 20 führenden Industrienationen am 24. und 25. September in den USA steht Obama ein politischer Seiltanz bevor. Auf der einen Seite braucht er innenpolitisch Unterstützung, auf der anderen wird er sich gegenüber den Vertretern der anderen Staaten für seine protektionistischen Maßnahmen rechtfertigen müssen. Nun liegt es an ihm, die aufgeheizte Stimmung zu beruhigen, schon in Hinblick auf den China-Besuch im November dieses Jahres.

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