Tod in Polizeianhaltezentrum

Die Grünen und NGOs kritisieren das Innenministerium heftig.
Der 20-jährige indische Schubhäftling Gaganpreet Singh K. ist am Montag im Wiener Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel nach mehr als einmonatigem Hungerstreik gestorben. Ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen Hungerstreik und Tod konnte nach "derzeitigen ärztlichen Erkenntnissen" nicht gefunden werden, so die Polizei in einer Aussendung.

Eine Obduktion, die laut Polizeisprecher Johann Golob "im Laufe dieser Woche" stattfindet, soll eine Klärung bringen.

"Um 6.15 Uhr war er noch munter"
Laut Golob wurde der Tod gegen 8.00 Uhr festgestellt. Um 7.15 Uhr hatten die Mithäftlinge, wie K. Inder, Alarm geschlagen, dass der 20-Jährige zusammengebrochen war. Der Amtsarzt sei sofort erschienen, auch ein Notarzt sei verständigt worden, so Golob. Reanimationsversuche blieben erfolglos.

Um 6.15 Uhr war der Verstorbene laut Jochen Rausch, stellvertretender Chefarzt des Innenministeriums, noch munter und ansprechbar: "Er wurde gefragt, ob er frühstücken möchte, was er verneinte" - mehr dazu in wien.ORF.at.

Fekter bedauert
Der Fall löste zahlreiche Reaktionen aus. Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) bedauerte den Tod des jungen Mannes. Der Menschenrechtsbeirat sei bereits informiert. Zwangsernährung sei nicht angeordnet worden, da diese in Österreich nicht erlaubt sei, so die Ministerin.

Grüne: Ministerium blieb untätig
Heftige Kritik kam von den Grünen und NGOs. "Die Liste dieser Vorfälle wird immer länger", sagte die grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun. "Seit Jahren kritisiert der Menschenrechtsbeirat unter anderem die schlechte medizinische Versorgung in der Schubhaft, während Fekters Ministerium untätig bleibt", so Korun, die auch die geplante Verschärfung des Fremdenrechts kritisierte.

Caritas: Schlechter als in Strafhaft
Werner Binnenstein-Bachstein, Geschäftsführer der Caritas der Erzdiözese Wien, sagte: "Mindestens fünf Innenminister haben eine grundlegende Reform der Schubhaft zugesagt, passiert ist bisher wenig bis nichts."

Die Anhaltebedingungen seien nach wie vor vielfach wesentlich schlechter als in der Strafhaft. "Die Empfehlungen des Menschenrechtsbeirates sind endlich bedingungslos umzusetzen", forderte Binnenstein.

Empörung bei NGOs
Die Wiener Grünen riefen für Dienstagnachmittag zu einer Gedenkkundgebung für K. auf, die ab 17.00 Uhr vor dem Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel stattfinden soll.

Asyl-in-Not-Obmann Michael Genner kritisierte die Schubhaft insgesamt: "Der Schubhaft liegt kein Urteil, kein Delikt zugrunde." SOS Mitmensch sprach von einer "tödlichen Härte" der Schubhaft. Die Koalition würde "seit Jahren die Warnungen von internationalen und nationalen Menschenrechtseinrichtungen" ignorieren - mehr dazu in wien.ORF.at.

Amnesty: Fall macht betroffen
Zurückhaltend im aktuellen Fall, aber ausgesprochen kritisch zur Schubhaftpraxis insgesamt zeigte sich Amnesty International (AI).

AI-Österreich-Generalsekretär Heinz Patzelt forderte am Montag die rasche und transparente Aufklärung im Fall K., die öffentlich versprochen worden sei. "Der Fall macht betroffen", sagte Patzelt zur APA. Aber: "Das Ausmaß der Anwendung der Schubhaft in Österreich ist jenseits aller menschenrechtlichen Zulässigkeit."

Patzelt sagte, die Verhängung der Schubhaft sei in Österreich eine "systematische Antwort" für alle Aufgegriffenen, die keine Papiere bei sich hätten und bei denen man nicht wisse, was man mit ihnen tun solle. "Das Verwahren von Menschen in Schubhaft, bis ich weiß, ob jemand abzuschieben ist", sei eindeutig menschenrechtswidrig.

FPÖ: Schubhaft nicht infrage stellen
FPÖ-Sicherheitssprecher Harald Vilimsky forderte am Montag, den Tod des indischen Schubhäftlings "genau zu untersuchen, ohne Vorverurteilungen zu treffen oder das Prinzip der Schubhaft an sich infrage zu stellen".

Der Fall dürfe "nicht zum Anlass genommen werden, einer Lockerung der ohnehin schon laschen Asylbestimmungen das Wort zu reden". Vilimsky kritisierte in einer Aussendung Grüne und NGOs, die den Fall ausnützen würden, "um politisches Kleingeld zu wechseln".

Polizei: Am 3. August aufgegriffen
K. war laut Polizei 2006 illegal eingereist und hatte um Asyl angesucht. Dieses Gesuch sei heuer rechtskräftig abgelehnt worden, der Bescheid sei mit der Ausweisung verbunden gewesen. Der 20-Jährige sei untergetaucht.

Aufgegriffen wurde er am 3. August in Floridsdorf, wo er laut Josef Zinsberger, Leiter der erst Anfang dieses Monats gegründeten Abteilung für fremdenpolizeiliche Maßnahmen und Anhaltevollzug, an einem Verkehrsunfall beteiligt war. Einen Tag später wurde die Schubhaft über ihn verhängt.

Keine Gesundenuntersuchung
"Innerhalb der ersten 24 Stunden wurde er auf Haftfähigkeit untersucht", sagte Zinsberger. Das sei zwar keine Gesundenuntersuchung, beinhalte aber bestimmte Parameter, die für die Haftfähigkeit wichtig seien. Bei K. sei keine Auffälligkeiten festgestellt worden, "der war gesund, kann man sagen".

Seit 7. August in Hungerstreik
Am 7. August trat der junge Mann in Hungerstreik. "Er wurde täglich auf seine Haftfähigkeit untersucht", so Zinsberger. Der letzte Check erfolgte am Sonntagvormittag. Dabei habe es keine Auffälligkeiten gegeben, die Haftfähigkeit sei festgestellt worden.

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