Bei einer Versammlung auf der Rieder Messe in Oberösterreich wurde ein "Bauernaufstand" zur Unterstützung des von Frankreich ausgehenden, europaweit anlaufenden Milchstreiks beschlossen. Für die Bauern gebe es keine Perspektive, sagte IG-Milch-Obmann Ewald Grünzweil vor rund 500 Bauern - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.
Allerdings gehören der IG Milch nur rund 4.000 der an die 40.000 österreichischen Milchbauern an. Der ÖVP-Bauernbund, der die große Mehrheit der Landwirte hinter sich weiß, ist gegen den Streik.
Milch wird verschenkt
Mit Traktorenfahrten und Milchverschenkaktionen will die IG Milch auf ihre finanziellen Sorgen aufmerksam machen. So werden am Montag vorübergehend mehrere Autobahn-Teilstücke in der Steiermark und in Oberösterreich wegen Protestaktionen gesperrt. Zwischen 10:00 und 11:30 Uhr betroffen sind die Pyhrn-Autobahn (A9), die Semmering-Schnellstraße (S6) und die Murtal-Schnellstraße (S36).
Warnung vor neuen Butterbergen
An dem Treffen der IG Milch nahm als Gast auch der Chef des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM), Romuald Schaber, teil. Er kritisierte, die EU habe wegen der niedrigen Preise innerhalb eines halben Jahres 500.000 Tonnen Butter und Milchpulver eingelagert. Die EU kauft derzeit noch Milch und Butter auf, sobald der Preis unter eine festgelegte Grenze fällt.
Diese Maßnahme hat laut Schaber aber den gegenteiligen Effekt, weil der Milchpreis dadurch niedrig bleibe. Schließlich würden die Lagerbestände verkauft, sobald der Preis wieder steige, und durch diese zusätzlich Ware sinke der Preis erneut.
Liberalisierung bis 2015
Die EU-Kommission will jedoch - auch in Hinblick auf Freihandelsverpflichtungen gegenüber Partnern in der Welthandesorganisation (WTO) - bis 2015 die Milchquote gänzlich aufheben. In der Übergangsphase wird die Quote jährlich bis 2013 um ein Prozent angehoben.
Angst um Existenz
Weil Bauern aber wegen des derzeitigen Milchüberschusses auf dem Markt nur geringe Abnahmepreise bekommen, fordern sie neue Markteingriffe. Sie fürchten nach eigenen Angaben um ihre Existenz.
BDM-Chef Schaber fordert etwa die Einrichtung einer Stelle zur Beaufsichtigung des Milchmarkts, in der neben den Regierungen auch Bauern, Molkereien und Verbraucherorganisationen vertreten sein sollten. Die Monitoring-Stelle solle für eine Steuerung der Milchmenge Marktanalysen erstellen und die Produktionskosten ermitteln.
EU: Quote wird gar nicht ausgenutzt
Die EU-Kommission argumentiert, dass neue Quoten nur für Verwirrung sorgen würden. Zudem verweist sie darauf, dass die derzeitige Quote ohnehin nicht zur Gänze ausgeschöpft werde. Die Anhebung der Quote auszusetzen, wie von Paris, Berlin und Wien gefordert, würde daher gar nichts bringen.
Match Klein- gegen Großproduzenten
Alle Länder mit Familienbauernhöfen - darunter Österreich, Frankreich, Deutschland und Belgien - unterstützen grundsätzlich die Forderungen der Milchbauern. Länder mit vorwiegend großen Milchbetrieben wie die Niederlande lehnen Änderungen dagegen vehement ab.
Milch für den Gully
Aus Protest gegen die Weigerung Brüssels, den Preisverfall zu bekämpfen, riefen französische Bauern am Donnerstag als Erste einen Streik aus. In Belgien kam es am Freitag zu mehreren Protestaktionen, bei denen Milch demonstrativ weggeschüttet wurde.
Unweit der deutschen Grenze kippten sie ihre Milch auf eine Autobahn. An der Protestaktion beteiligten sich 200 Traktoren, die die Straße absperrten. In der südbelgischen Stadt Charleroi schütteten Landwirte Milch vor dem Rathaus aus.
In Frankreich wird laut dem dortigen Milchbauernverband (APLI) der Streikt von 25 bis 30 Prozent der Produzenten im Westen und Norden befolgt. Aus dem Westen und dem Norden des Landes kommen laut APLI zwei Drittel der französischen Milch.
Streikaufruf in Deutschland verboten
Auch in Deutschland lieferten die ersten Milchbauern keine Milch mehr ab. Auch soll es mehrere Solidaritätsaktionen mit den französischen Kollegen gegeben haben. BDM-Chef Schaber kündigte an, er werde die auf seinem Hof produzierte Milch verfüttern oder wegkippen. Einen offiziellen Streikaufruf gab es aber nicht, weil das in Deutschland verboten ist.
Intern uneins
Ein Problem der Milchbauern ist jedoch, dass sie untereinander zerstritten und über die Vorgehensweise uneins sind. So fordern etwa in Österreich der Bauernbund und auch Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) eine gemeinsame Lösung auf EU-Ebene. Berlakovich kündigte allerdings an, dass er für Österreich die einprozentige Anhebung der Quote aussetzen werde - das ist national möglich. Zudem wird die Prämienauszahlung vorgezogen.
Vertreter der IG Milch dagegen wollen mit dem Streik zunächst den Druck auf die nationale Politik erhöhen. Auch der Bauernbund befürchtet, dass mittelfristig die völlige Liberalisierung viele heimische Milchbauern zum Aufgeben zwingen könnte, weil sie in einem völlig liberalisierten Markt mit Großproduzenten nicht mehr mithalten könnten. Einen Streik lehnt der Bauernbund aber als kontraproduktiv ab und setzt stattdessen auf Gespräche mit den Supermarktketten.
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