Sven Regener: So etwas muss man immer im Zusammenhang sehen. Man weiß ja gar nicht: Spricht die Band aus diesen Texten? Es spricht nicht einmal unbedingt der Sänger aus den Texten. Es sind Haltungen, die man einnimmt. Geschichten, die man erzählt. Da ist alles möglich. Er sagt ja vorher: Was für Cloppenburg Pfanni ist, bist Du für mich. Wenn man Cloppenburg kennt, was nicht jeder von sich behaupten kann ... Cloppenburg ist ja ...
Richard Pappik: ... die Metropole im Norden!
Regener: ... die Metropole des Landkreises Cloppenburg, möchte ich mal sagen. In der Mitte von Cloppenburg steht ein riesengroßer Turm, da steht "Pfanni" drauf. Das ist diese Kartoffelkloßfirma. Offenbar wird da eine Menge niedersächsischer Kartoffeln verarbeitet zu Kartoffelklößen und Kartoffelbrei und so. Pfanni ist für Cloppenburg sehr wichtig, und da nimmt jemand diese Metapher als Liebeserklärung und sagt daraufhin: "Scheiß auf Metaphern." Das ist ja klar - irgendwann hört's auch mal auf.
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©Bild: ORF.at/Roland Winkler |
Letztendlich bin ich sehr stolz auf "Was Pfanni für Cloppenburg ist, bist du für mich". Das ist eine Metapher von so großer Schönheit und Extravaganz, Exaltiertheit möchte ich fast sagen, dass man danach erschrecken kann wegen der nächsten Zeile, "Metaphern sind Scheiße".
ORF.at: Interessieren Sie sich für Lyrik?
Regener: Meist nur für Songtexte, wenig für klassische Lyrik. Wie jeder vernünftige Mensch habe ich natürlich eine Schwäche für Georg Trakl, aber auch für die Gedichte von H.C. Artmann. Aber sonst ist da nicht so viel.
Letztendlich sind Songtexte die Mutter aller Lyrik. Da kommt es ja her - deshalb heißt es ja auch Lyrik. Das darf man nicht vergessen. Songtexte sind die Mutter aller Lyrik. Das unterscheidet ja die Lyrik von der Prosa, der Rhythmus und der musikalische Gehalt, die Klangfarbe und so weiter.
Insofern interessiere ich mich wahnsinnig für Lyrik, aber das meiste, was ich davon mitbekomme, sind Songtexte.
ORF.at: Einige Musiker lassen derzeit die Metaphernsprache wieder hinter sich. Ex-Blumfeld-Frontmann Jochen Distelmeyer singt nicht mehr über Äpfel, sondern über den Hass auf Bonzen wegen der Wirtschaftskrise. Da geht vielleicht Subtilität verloren, aber haben nicht auch manchmal Sie Lust, es den Menschen geradeheraus "reinzusagen"?
Regener: Ich glaube, man kann meine Texte auch alle genauso wörtlich nehmen, kein Problem. Es gibt ja mehrere Ebenen. Ich würde niemals auf die Idee kommen, postulieren zu wollen, wie man die zu verstehen hat. Man kann die Texte nehmen, wie sie sind, und beim Bügeln mitpfeifen. Man kann aber auch alles metaphorisch verstehen. Man kann über die Schichten nachdenken und alles interpretieren - aber man muss es nicht.
ORF.at: Es finden sich aber auch Textzeilen, die eine klare Message transportieren. Auf dem neuen Album etwa, wenn es um eine Teletubbies-Familie geht, wo die braunen Häschen in den Startlöchern stehen, um ihre Taten umzusetzen. Das klingt doch eindeutig nach medienverwahrlosten Familien, deren Kinder dann anfällig für Rechtsradikalismus sind.
Regener: Aber nein, die Teletubbies selbst sind das doch! Die haben ihre braunen Kaninchen, und die sitzen unter den Hügeln. Und die Blumen zwitschern immer so, die sprechen, meist im Chor. Und ab und zu kommt ein Duschkopf aus dem Boden und gibt Anweisungen oder singt ein Lied.
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©Bild: ORF.at/Roland Winkler |
Und dann freuen die sich. Und dann gibt es dieses Windrad für Kinder. Das gibt es in ganz groß, wie ein Fernsehturm. Und wenn sich das dreht, läuft auf der Brust von einem der Teletubbies im Fernseher ein Film. Da zeigen dann so vierjährige Kinder etwas aus ihrer Welt, sie malen etwa oder basteln etwas. Und dann sagen die Teletubbies "Noch einmal!" - und das wird dann alles noch einmal gezeigt.
Ich glaube, das ist eine der genialsten Sachen, die es überhaupt gibt. Die ganze "Sgt. Pepper"-Sause und "Lucy in the Sky with Diamonds" sind dagegen eigentlich nüchtern und realistisch. Für Zwei- oder Dreijährige ist das fantastisch. Es gibt eigentlich nichts Besseres. Jeder, der psychedelische Neigungen in sich trägt, muss die Teletubbies lieben. Was man da an Geld für LSD sparen kann, ist ungeheuer!
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©Bild: ORF.at/Roland Winkler |
Pappik: Die Sonne, wie sie lacht!
Regener: Diese lachende Sonne, unglaublich! Einer der Schauspieler, die in diesen Kostümen stecken, ist einmal geschasst worden oder hat zumindest Ärger bekommen, weil er in seiner Freizeit mit Kokain erwischt wurde.
Aber der Song, über den wir hier sprechen, "Euro und Markstück", den kann man natürlich auch ganz anders interpretieren als ich. Für mich ist das einfach eine ganz klare Form von Beobachtung. Letztendlich ist es ja eine ganz heile Welt, dieses irre Teletubbies-Land.
Für mich handelt dieses Lied einfach ein bisschen von diesen seltenen, irritierenden Momenten, in denen alles in Ordnung zu sein scheint. Die allerirritierendsten Momente im Leben sind ja nicht die, wo etwas schiefläuft. Das ist ja eher der Normalfall. Aber wenn die Welt plötzlich im Lot zu sein scheint, entstehen sehr fragile Momente, die nie lange dauern. Davon handelt das Lied.