Putin betont in Polen Gemeinsamkeiten

Harte Worte des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski.
Zum 70. Jahrestag des Überfalls Nazi-Deutschlands auf Polen haben die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Russlands Regierungschef Wladimir Putin die Versöhnung mit Polen in den Mittelpunkt gestellt.

Angesichts der Meinungsverschiedenheiten zwischen Moskau und Warschau war Putin um Entspannung bemüht. Doch gleich zum Auftakt der Gedenkfeiern erinnerte die polnische Führung an die Verantwortung Deutschlands und der damaligen Sowjetunion und warnte vor Geschichtsfälschungen.

Die Sowjetunion und Polen seien Waffenbrüder im Kampf gegen den Nationalsozialismus gewesen, sagte Putin am Dienstag im polnischen Ostseebad Sopot. Der deutsche Überfall auf Polen am 1. September 1939 hatte den Zweiten Weltkrieg ausgelöst.

Rede Putins mit Spannung erwartet
Russland und seine Nachbarn liegen im Streit über die Rolle Stalins, der unmittelbar vor Kriegsbeginn einen Nichtangriffspakt mit Nazi-Deutschland unterzeichnet hatte. Der Hitler-Stalin-Pakt ließ den deutschen Truppen freie Hand in Polen und bildete die Grundlage für die vierte Teilung des Landes, zumal die Rote Armee in Ostpolen einmarschierte.

Während die Russen stolz auf den Sieg der Sowjetunion über Hitler-Deutschland 1945 sind, machen Polen und die baltischen Republiken Stalin direkt für den Ausbruch des Krieges mitverantwortlich. Mit Spannung wurde deshalb in Polen und in Osteuropa die Ansprache Putins zum Jahrestag erwartet. Russische Regierungsvertreter spielten allerdings die Erwartung herunter, dass sich Putin für Stalins Verbrechen entschuldigen werde.

Putin für neuen Pragmatismus
"Es gibt Probleme in der Geschichte, die wir klären sollten (...), damit sich derartige Tragödien nicht wiederholen", sagte Putin im Beisein des polnischen Regierungschefs Donald Tusk. Schon im Vorfeld hatte Putin Polen aufgefordert, die Vergangenheit ruhen zu lassen und den Blick nach vorne zu richten.

In den zwischenstaatlichen Beziehungen sei ein "neuer Pragmatismus" gefragt, betonte Putin. Zuvor hatten Regierungsvertreter beider Länder mehrere Vereinbarungen über die Umsetzung gemeinsamer Wirtschaftsprojekte unterzeichnet. Tusk und Putin signalisierten Bereitschaft, für Historiker beider Länder den Zugang zu Archiven zu vereinfachen.

"Messerstich" durch Russland
Polen fordert Einsicht in Dokumente zum Massenmord an polnischen Offizieren durch sowjetische Soldaten in Katyn. Im Gegenzug will auch Russland Zugang zu polnischen Unterlagen. Tusk sagte, dass er Putins Angebot annehmen wolle. Bisher hatte Russland eine Offenlegung aller Katyn-Dokumente kategorisch abgelehnt.

Harte Worte kamen vom polnischen Präsidenten Lech Kaczynski: Er erinnerte daran, dass die polnischen Soldaten den deutschen Angreifern noch Widerstand leisteten, als die Rote Armee am 17. September 1939 in Ostpolen einmarschierte. "An diesem Tag hat Polen einen Messerstich in den Rücken erhalten", sagte Kaczynski. Diesen Stich habe das bolschewistische Russland (den Polen) versetzt. Der Hitler-Stalin-Pakt sei Ursache dieser Aggression gewesen.

Vergleich mit Holocaust
Kaczynski verglich den sowjetischen Mord an polnischen Offizieren 1940 in Katyn mit dem Holocaust. Es gebe eine Parallele zwischen diesen Verbrechen, obwohl ihr Ausmaß sehr verschieden gewesen sei: "Juden starben, weil sie Juden waren. Polnische Offiziere starben, weil sie polnische Offiziere waren", sagte der Präsident.

Im Wald von Katyn und an zwei anderen Orten hatte der sowjetische Geheimdienst rund 15.000 polnische Offiziere ermordet.

Jahrzehntelang keine Aussöhnung
Katyn stand jahrzehntelang als Symbol für ungesühnten Massenmord und Geschichtslüge einer wirklichen Aussöhnung zwischen Polen und Russen im Wege.

Die Führung in Moskau hatte jahrzehntelang versucht, Nazi-Deutschland die Schuld an dem Verbrechen von Katyn in die Schuhe zu schieben. Erst nach dem Zerfall der Sowjetunion räumte Russland ein, dass das polnische Offizierskorps auf Befehl von Diktator Josef Stalin erschossen worden war.

Kaczynski hatte bereits zuvor Russlands Vorgehen gegen die Ukraine und Georgien als Beweis für dessen imperialistische Haltung gegenüber den Nachbarländern bezeichnet.

Tusk zurückhaltender
Auch Tusk sprach vom Überfall Hitler-Deutschlands und der Sowjetunion auf Polen. Er versicherte allerdings, sein Land wolle das Gedenken nicht gegen andere verwenden. Tusk warnte davor, die Geschichte zu vergessen oder zu fälschen. Ohne "aufrichtiges Gedenken und die Wahrheit" könnten Polen, Europa und die Welt nicht sicher sein. Er sprach sich für eine "gemeinsame Erinnerung" aller ehemaligen Kriegsteilnehmer aus.

Merkel: "Unendliches Leid über die Welt gebracht"
Merkel sagte in einem Interview im ARD- "Morgenmagazin", viele Wunden dürften nicht immer wieder aufgerissen werden.

"Deutschland hat den Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Wir haben unendliches Leid über die Welt gebracht", sagte sie. Dennoch sei auch die Vertreibung von mehr als zwölf Millionen Menschen aus dem Gebiet des damaligen Deutschlands und heutigen Polens ein Unrecht. "Und auch das muss benannt werden."

Bei den Feierlichkeiten bei Danzig sagte Merkel, kein Land habe so lange unter deutscher Besatzung gelitten wie Polen. Sie gedenke "aller Polen, denen unter den Verbrechen der deutschen Besatzungsmacht unsägliches Leid zugefügt wurde". Kaum eine Familie sei verschont geblieben.

Für Österreich nahm Kanzler Werner Faymann (SPÖ) an den Gedenkfeiern teil.

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