Der Pakt der Diktatoren

Der Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und der Sowjetunion ermöglichte Hitlers Angriff auf Polen.
"Wir haben nichts zu verlieren, nur zu gewinnen": Als Adolf Hitler mit diesen Worten am 22. August 1939 vor führenden Militärs die Pläne seines Polenfeldzugs vorstellte, hatte er einen wichtigen Baustein für den geplanten Angriff schon fast in der Tasche.

Durch den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt, bekannt auch als Hitler-Stalin-Pakt bzw. Ribbentrop-Molotow-Abkommen, konnte Nazi-Deutschland unbehelligt von der Sowjetunion gegen Polen vorgehen - und so de facto den Zweiten Weltkrieg lostreten.

Ribbentrop und Molotow unterschrieben
Als am 24. August 1939 der deutsche Außenminister Joachim von Ribbentrop und der sowjetische Volkskommissar für auswärtige Angelegenheiten, Wjatscheslaw Molotow, in Moskau ihre Unterschriften unter einen auf den Vortag datierten Pakt setzten, war die Überraschung in der Welt perfekt. Noch bis kurz zuvor hatten beide Diktatoren als erbitterte Feinde gegolten.

Der auf zehn Jahre geschlossene Vertrag beinhaltete den Verzicht auf gegenseitige Gewaltanwendung und Neutralität im Falle der kriegerischen Verwicklung eines der beiden Partner, auch bei einem Angriffskrieg.

Geheimes Zusatzprotokoll
Ein geheimes Zusatzprotokoll grenzte die beiderseitigen Interessensphären in Osteuropa "für den Fall einer territorialpolitischen Umgestaltung" ab.

Finnland, Estland, Lettland und Bessarabien sowie Polen östlich der Flüsse Narew, Weichsel und Sann sollten sowjetisches, alle westlich dieser Demarkationslinie gelegenen Gebiete deutsches Einflussgebiet sein.

Keine Gefahr mehr
Durch den Pakt wurde die bei einem Krieg gegen Polen drohende Einkreisung Deutschlands ausgeschaltet. Damit erfüllte das Abkommen - neben seinem "höchsten und letzten Ziel", der Eroberung von "Lebensraum" noch weiter im Osten - seinen Hauptzweck für Hitler.

Am 11. August hatte Hitler dem Schweizer Carl Jacob Burckhardt, Hoher Kommissar des Völkerbundes in Danzig, in einem Gespräch angeblich gesagt: "Alles, was ich unternehme, ist gegen Russland gerichtet. Wenn der Westen zu dumm und zu blind ist, um das zu begreifen, werde ich gezwungen sein, mich mit den Russen zu verständigen, den Westen zu schlagen und dann nach seiner Niederlage mich mit meinen versammelten Kräften gegen die Sowjetunion zu wenden."

Das von Burckhardt nach dem Krieg veröffentlichte Zitat wird zwar nicht von allen Historikern als authentisch anerkannt, bringt Hitlers Intentionen aber auf den Punkt.

Briten stehen Polen bei
Der Nazi-Diktator ging aber auch davon aus, dass Großbritannien weder in der Lage sei, Polen zu helfen, noch Interesse an einem langen Krieg habe.

Tatsächlich schloss der britische Premier Neville Chamberlain zwei Tage nach Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Paktes mit Polen ein förmliches Beistandbündnis für den Kriegsfall ab.

Inszenierte Grenzverletzungen
Hitler, der schon nach der Besetzung Böhmens und Mährens die Arbeiten am Kriegsplan gegen Polen aufgenommen hatte, verschob daraufhin den für 26. August gegebenen Angriffsbefehl auf den 1. September.

Der "Führer", der bis zuletzt versucht hatte, Polen durch massive Propaganda von den Westmächten zu isolieren, um den beabsichtigten Krieg auf die Ostfront zu beschränken, ließ von der SS polnische Grenzverletzungen, darunter einen Überfall auf den Sender von Gleiwitz, inszenieren, um einen Vorwand für einen deutschen "Gegenangriff" zu haben.

Angriff aus dem Osten
Als am 17. September die Rote Armee mit einer halben Million Soldaten Polens Ostgrenze überschritt, kämpfte Polen bereits seit mehr als zwei Wochen gegen die deutsche Wehrmacht. Stalins Armee internierte bis zu 300.000 polnische Soldaten und Offiziere. Rund 15.000 wurden 1940 in Katyn und an zwei weiteren Orten hingerichtet.

Bis zum Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion 1941 fehlte es nicht an Freundschaftsgesten zwischen den beiden Aggressoren. Die Wehrmacht und die Rote Armee veranstalteten im besiegten Polen gemeinsame Militärparaden, etwa in Brest. Die Geheimdienste - der NKVD und die Gestapo - bekämpften gemeinsam den polnischen Widerstand.

Weitsichtige strategische Maßnahme?
Russland ist im Umgang mit Stalin und mit seinem Pakt mit Hitler bis heute gespalten. Der Militärhistoriker Sergej Kowaliow lobte im Juni auf der Website des Moskauer Verteidigungsministeriums den Pakt als eine weitsichtige strategische Maßnahme des Sowjetdiktators.

Stalin habe durch das Abkommen Zeit gewonnen und den Kriegsverlauf abwarten können. Kowaliow sprach dem Westen das moralische Recht ab, den Vertrag zu verurteilen. Schließlich hätten nur ein Jahr zuvor London, Paris und Rom mit Hitler das Münchener Abkommen geschlossen, schrieb er.

Polen traumatisiert
Für Polen ist der Hitler-Stalin-Pakt auch nach 70 Jahren noch ein nationales Trauma. 2008 machte das polnische Parlament in einer Resolution das nationalsozialistische Deutschland und die stalinistische Sowjetunion gleichermaßen für das Leiden von Millionen Polen im Zweiten Weltkrieg verantwortlich. Das Bündnis zwischen "zwei Totalitarismen" habe tiefstes Leid über das Land gebracht.

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