Am Freitag erscheint ihr neues Album "I Look to You", mit dem Houston einerseits wieder einen echten Hit landen, andererseits ihr neues Image als reife Souldiva auf Schiene bringen will.
Skandale und Beinahe-Flops
Houstons letztes Studioalbum "Just Whitney" (2002) war zwar mit drei Millionen verkauften Exemplaren kein Flop, doch an ihre großen Erfolge aus den 80ern und 90ern - "The Bodyguard" ist mit 42 Millionen Exemplaren eines der meistverkauften Alben aller Zeiten - konnte sie nicht anknüpfen.
Seit Houstons letztem Nummer-eins-Hit sind fast eineinhalb Jahrzehnte vergangen, und in den letzten Jahren machte die Sängerin vor allem mit Drogenexzessen, Entziehungskuren und der turbulenten, inzwischen geschiedenen Ehe mit Bobby Brown Schlagzeilen.
Nachdenklicher als früher
"I Look to You" soll das jetzt alles vergessen machen. Schon auf dem Cover präsentiert sich die Sängerin gereift und geläutert, blickt selbstbewusst, aber auch nachdenklich direkt in die Kamera.
Houston ist kein Girlie mehr, will das Foto zeigen und damit vielleicht auch Skeptiker zum Verstummen bringen, die in der Sängerin und ihren Kolleginnen Mariah Carey und Celine Dion einst ein sich anbiederndes "Triumvirat der Heulbojen" und alles Übel der Pop-Branche gesehen hatten.
Ein Hit mit Schönheitsfehler
Die Produzentenliste von "I Look to You" liest sich mit Hitgaranten wie Swizz Beatz, Stargate und Akon wie der feuchte Traum eines jeden Labelmanagers. Doch gerade an den ganz großen Ohrwürmen hapert es.
Der offensichtliche Hit ist "For the Lovers", ein mitreißender, hypermodern produzierter, radio- und clubtauglicher Ohrwurm - mit einem Schönheitsfehler: Diesen Song könnte auch Paris Hilton singen, ohne vokaltechnisch überfordert zu sein.
"Nicht begeistert" von aktueller Musikbranche
Gerade davon wollte sich Houston aber eigentlich abgrenzen. "Ich war nicht unbedingt begeistert von der Richtung, in die sich die ganze Industrie entwickelte, oder von der Musik, die ich hörte", wird sie in den Presseunterlagen zur Entstehung des neuen Albums zitiert.
"Wenn ich mir Videos von vielen weiblichen Stars ansah, dachte ich nur, dass ich so etwas nicht tun werde. Ich bin in diesem Geschäft aufgewachsen, ich bin mit Gospelgesang aufgewachsen, und ich war auf keinen Fall bereit, das zu ändern, was die Leute am meisten an mir lieben."
Durch Houstons Stimme über Durchschnitt
Song zwei, "Nothin' But Love", bringt das Album gut auf den Punkt. Der zugrunde liegende Track des Starproduzenten Danja ist kaum mehr als brauchbares Handwerk, schielt mit einem beschleunigten R-'n'-B-Beat auf die Clubs und mit einem fröhlich-belanglosen Refrain auf die Radios. Erst Houstons Stimme verleiht dem Durchschnittssong Hitpotenzial.
Das Problem ist altbekannt: Zu oft kämpfte die Sängerin im Verlauf ihrer Karriere schon mit schlechtem Songmaterial, das im besten Fall ihre Stimme besser zur Geltung brachte, aber von keinem bleibenden Wert war.
Konkurrentin Miley Cyrus
Zudem hat es Houston mit veränderten Marktbedingungen zu tun. In den USA erscheint "I Look to You" am selben Tag wie das neue Minialbum des fast drei Jahrzehnte jüngeren Teenie-Stars Miley Cyrus, und was noch in den 90ern keinem Houston-Manager schlaflose Nächte bereitet hätte, ist heute eine ernsthafte Konkurrenzsituation.
Zumindest das Chart-Duell mit Mariah Carey ist vorerst abgesagt - die fünf Jahre jüngere Soulsängerin hat die Veröffentlichung ihres ebenfalls für August geplanten neuen Albums "Memoirs of an Imperfect Angel" vorerst auf Ende September verschoben.
Verzerrte Stimme
Das ganze Album über versucht Houston spürbar einen Spagat zwischen zeitlosem, stilvollem Soul und dem Anschluss an aktuelle Hitparaden-Sounds. Das geht manchmal gut - etwa im ersten, von Alicia Keys geschriebenen Song "Million Dollar Bill" -, manchmal aber ganz schrecklich schief.
In der Midtempo-Nummer "Like I Never Left", einem Duett mit Akon, werden die Stimmen durch einen zuletzt von Kanye West wieder popularisierten Autotune-Effekt gejagt, der so gar nicht zur auf natürliche Stimmgewalt spezialisierten Houston passen will.
Houston punktet mit Balladen
Am besten ist die 44-Jährige erstaunlicherweise immer noch, wenn sie Balladen singt. Beim Titelsong und bei "I Didn't Know My Own Strength" hat man zwar jedes Streichercrescendo schon zig Mal gehört - kein Wunder, stammen die Kompositionen doch von den Tränendrüsen-Experten Diane Warren und R. Kelly -, doch so schön wie hier wird Houstons dunkle, deutlich reifere Stimme in keiner anderen Nummer des Albums in Szene gesetzt.
Der Wille zum Comeback ist da
Auch die Coverversion des Leon-Russell-Klassikers "A Song for You", die als Schmachtfetzen beginnt und dann zur treibenden Disconummer umfunktioniert wird, und das Finale "Salute", in dem sich Houston von einer zerstörerischen Liebe loseist - wer könnte damit wohl gemeint sein? -, sind Höhepunkte.
Mit "I Look to You" zeigt sich Houston stimmlich in bester Form seit langem. Die vor einigen Jahren noch schwer angeschlagene Sängerin wirkt auf dem Album geläutert und entspannt, und der Wille zum großen Comeback ist deutlich spürbar. Ob dieser Plan aufgeht, muss sich erst zeigen - an Houston selbst dürfte er zumindest nicht mehr scheitern.
Links:
- Whitney Houston
- Biografie (Wikipedia)