Unterschiedliche Strategien für die Krise

Schwierigkeiten entstehen vor allem dann, wenn während der Wirtschaftskrise auch familieninterne Konflikte auftreten.
Persönlicher Einsatz der Führungsebene, Loyalität der Mitarbeiter, kein Druck von Aktionären und die Reinvestition von Gewinnen ins Unternehmen zählen gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise zu den großen Vorteilen von Familienunternehmen.

Auch in Österreichs Wirtschaft spielen Familienbetriebe eine wichtige Rolle. 80 Prozent aller Unternehmen sind laut einer Studie der KMU Forschung Austria in Familienbesitz. Der Großteil sind Klein- und Mittelunternehmen. Sie beschäftigen mehr als zwei Drittel der Erwerbstätigen in Österreich.

Unterschiedliche Strategien
Wie die meisten Betriebe kämpfen aber auch viele Familienunternehmen in der Wirtschaftskrise mit gravierenden Umsatzrückgängen und einem Einbruch von Aufträgen und Preisen. Große Unterschiede gibt es laut dem Unternehmensexperten Tom Rüsen aber dabei, wie die Unternehmen mit dieser Krisensituation umgehen.

Rüsen, geschäftsführender Direktor des Instituts für Familienunternehmen der Universität Witten/Herdecke, führte mit über 250 Familienunternehmen in Deutschland eine diese Woche veröffentlichte Studie im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen durch, wie Familienbetriebe durch die Krise kommen. Die Probleme und Strategien seien mit den Familienbetrieben Österreichs durchaus vergleichbar, so Rüsen gegenüber ORF.at.

Hälfte verhandelt über Personalabbau
"Familienunternehmen setzen darauf, ihre Mitarbeiter zu halten und die schwierige Zeit mit Kurzarbeit und anderen Zeitkontenmodellen zu überbrücken", sagte Rüsen. Umso erschütternder sei eines der Ergebnisse der Studie, dass die Hälfte der Befragten bereits Gespräche mit dem Betriebsrat führe und über Personalabbau verhandle.

Für den Experten deutet das darauf hin, dass die Situation schwieriger geworden ist, denn für Familienunternehmen sei Personalabbau meist die "letzte Maßnahme".

Auch Manuela Mätzener, die als Beraterin des Instituts für Familien und Betriebe (IFUB) Familienunternehmen in Österreich begleitet, sagte gegenüber ORF.at, dass sich in der Krise sowohl die Vor- als auch die Nachteile von Betrieben, die von der Familie geführt werden, verstärkten.

Familie als Ressource
Familieninterne Ressourcen sparen Kosten. Rüsen: "Die meisten der befragten Unternehmen planen, noch notwendiges Kapital über die Familie zu bekommen, um Engpässe zu kompensieren." Auch seien Mitarbeiter von Familienunternehmen häufig loyaler zur Unternehmensführung und eher zu Sanierungsbeiträgen bereit.

Weniger stark betroffen
Eine aktuelle Studie von Barclays Wealth über die Situation größerer Familienunternehmen kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Die langfristigen Perspektiven, geringere Risikobereitschaft und die Unzulänglichkeiten des Shareholder-Modells hätten das Interesse an Familienunternehmen wieder gesteigert und deren Position in der Krise gestärkt.

Laut Rolf Gleißner von der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) waren Branchen, die von Familienunternehmen dominiert werden - darunter der Tourismus, Klein- und Mittelunternehmen im Einzelhandel, Handwerk und Gewerbe -, bisher weniger von der Krise betroffen als der Industrie- und Bankensektor.

Verschlechterung befürchtet
"Derzeit werden viele Schwierigkeiten aufgrund dieser Vorteile in Familienunternehmen noch kompensiert", ist auch Rüsen überzeugt. Es sei aber zu erwarten, dass die gravierenden Effekte der Krise noch im letzten Quartal 2009 und in den ersten drei Monaten des nächsten Jahres kommen.

In Deutschland klagen viele mittelständische Unternehmen trotz Anzeichen von Erholung über Zahlungsprobleme und Kreditsorgen. Auch in Österreich meldete die Industriellenvereinigung (IV) vor wenigen Tagen, dass die Krise mittlerweile auch Kleinbetriebe erreicht habe.

Konflikte gehen tiefer
Das Risiko steigt dort, wo die Nachteile von Familienunternehmen zum Vorschein kommen. Laut Experten ist der Generationenkonflikt ein klassisches Problem von Familienunternehmen.

"Wenn bisher nur die Auszahlung hoher Dividenden an Familienmitglieder Streit verhindert hat, sind in wirtschaftlich schwierigen Situationen Auseinandersetzungen Tür und Tor geöffnet", sagte Rüsen. Problematisch werde es vor allem dann, wenn zu wirtschaftlichen Problemen familieninterne Konflikte entstehen.

Auch Mätzener kennt Situationen, wenn in Zeiten der Krise der abgetretene Senior dem Junior unter die Arme greift und das Gefühl vermittelt, dass sein Nachfolger der Situation nicht gewachsen ist. Eng werde es vor allem dort, wo zu wenig Eigenkapital vorhanden ist, es keinen Businessplan gibt und auch auf der emotionalen Seite Schwierigkeiten auftauchen. "Spannungen, Orientierungs- und Motivationsmängel können das Genick brechen", betonte Mätzener.

Ökonomische Bedrohung
Krisen entstehen vor allem dann, wenn das Unternehmen bedroht ist und damit auch die Einkommen der Familienmitglieder. Denn oft sind Privatvermögen und Arbeitseinkommen gleichermaßen betroffen.

Zu den ökonomischen Risiken kommt häufig auch die individuelle Problematik der Seniorchefs, wenn das Unternehmen unter seiner Führung scheitert. "Nach 30 bis 40 Jahren als Kapitän auf der Brücke fühlt er sich im Fall einer drohenden Insolvenz verantwortlich für den Untergang und die Zerstörung des transgenerationalen (Übergabe eines Betriebs über mehrere Generationen, Anm.) Familienerbes", analysierte Rüsen.

Beratungsresistenz wird "zum Verhängnis"
Entscheidend sind für den Unternehmensexperten die nächsten Monate. Voraussetzung seien ein guter Familienzusammenhalt, eine solide Eigenkapitalbasis und das Erkennen, ab welchem Zeitpunkt externe Unterstützung wichtig ist.

Gerade bei Älteren sei Beratungsresistenz bemerkbar. Diese führten jahrzehntelang erfolgreich das Unternehmen, ohne sich durch Zurufe von außen beirren zu lassen. Rüsen: "Diese Stärke kann jetzt allerdings zum Verhängnis werden."

Simone Leonhartsberger, ORF.at

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