Frei nach dem B-Movie "Ein Haufen verwegener Hunde" (1978) von Enzo Castellari schickt der US-Kultregisseur ein Team abgebrühter US-Soldaten auf Nazi-Jagd, lässt seine Figuren zwischendurch über G. W. Papst und Leni Riefenstahl fachsimpeln und dreht am Ende mit einem erfolgreichen Attentat auf Adolf Hitler die Geschichte um.
Waltz als dämonischer Star
Dass Tarantinos 155 Minuten langes Weltkriegsmärchen nicht in eine blutrünstige Orgie ausartet, dafür sorgt der US-Regisseur mit ungewohnt ruhigen, dafür umso perfideren Szenen.
Ihr dämonischer Star ist der Österreicher Christoph Waltz, der für seine Rolle als weltgewandter, sadistischer SS-Standartenführer bei den Filmfestspielen in Cannes als bester Schauspieler ausgezeichnet wurde.
Auf der Jagd nach Nazi-Skalps
Tarantino verschränkt kunstvoll mehrere Handlungsstränge miteinander: Mit Hollywood-Star Brad Pitt als Anführer (Aldo Raine alias "Aldo, der Apache") schickt er einen Trupp jüdisch-amerikanischer Soldaten hinter die feindlichen Linien im besetzten Frankreich. Dort sammeln die "unrühmlichen Bastarde" Nazi-Skalps.
Waltz als SS-Mann Hans Landa wiederum jagt versteckte Juden. Daniel Brühl verliebt sich als NS-Kriegsheld in eine jüdische Kinobesitzerin, die allerdings alle Nazis lieber tot als lebendig sähe.
"Spannung durch verschiedene Sprachen"
Martin Wuttke gibt einen teuflisch lachenden Hitler. Sylvester Groth spielt nach Dani Levys "Mein Führer" bereits zum zweiten Mal Goebbels. Til Schweiger tritt als gefährlich fanatischer deutscher Nazi-Jäger auf.
"Bei diesem Film baut sich viel Spannung durch die verschiedenen Sprachen auf. Es ist nicht immer wichtig, was die Figuren sagen, sondern wie sie es sagen. Viele Hollywood-Kriegsfilme haben diese Chance vertan, weil die Schauspieler darin oft perfekt Fremdsprachen beherrschen", sagt Tarantino über seinen heterogenen Figurenpool.
Am Ende treffen alle Protagonisten in einem kleinen Pariser Kino aufeinander, wo ein Anschlag auf die NS-Führung dem Schreckensregime den Garaus machen soll.
Vergleiche mit Hannibal Lecter
Spätestens seit seinem Triumph in Cannes richten sich alle Augen auf Waltz, dem Tarantino - wie zuvor etwa Robert Forster und David Carradine - spät in seiner Karriere eine Paraderolle verschafft hat. Landa ist ein teuflischer, leidenschaftlicher Gehilfe des NS-Terrors, gleichzeitig ein polyglotter Feingeist.
Das Online-Magazin Daily Beast beschreibt die Figur als "heiliges Monster auf einer Stufe mit Ralph Fiennes' psychotischem Amon Goeth in 'Schindlers Liste', diversen selbstvergnügten Bond-Bösewichten und, am treffendsten, mit Anthony Hopkins' unauslöschlichem Hannibal Lecter".
Der SS-Bürokrat
Tarantino selbst hat ganz andere Assoziationen: "Die Nazis handeln ein wenig wie das organisierte Verbrechen oder die Mafia - hinter ihnen steht diese verflixte Bürokratie, die wie ein verzerrtes Bild einer normalen Regierung ist. Der SS-Mann Hans Landa könnte mit seinen Büroutensilien auch ein Mann vom Finanzamt sein, der Bücher prüft."
Einige Längen
Abgesehen von den schauspielerischen Leistungen war der Film schon in Cannes kein spontane Begeisterungsstürme auslösender Instant-Hit.
Tarantinos Utopie der in die Realität eingreifenden Macht des Kinos ist schön, aber ob sie den Tabubruch rechtfertigt, ein Splattermovie über Nazi-Zeit und Holocaust zu drehen, wird sicher noch länger diskutiert werden. In der Mitte hat der Film zudem einige Längen.
Auch im regulären Kinoeinsatz muss sich erst zeigen, wie der wilde Genre-Mix, der Trash- und Comic-Elemente auf das normalerweise mit Zurückhaltung behandelte Geschichtsthema umlegt, ankommt.
Kino mit Blick auf die Gegenwart
"Ich halte es nicht für die Aufgabe des Kinos, didaktisch zu wirken - speziell, was Geschichte betrifft, und noch einmal spezieller, was diesen Teil der Geschichte betrifft, die von uns handelt", sagte Waltz dazu. Das Kino habe vielmehr die Aufgabe, "sich mit uns zu befassen, die wir heute leben und den Film sehen".
Filme, die den Anschein erwecken sollen, von der Wahrheit zu handeln, halte er hingegen nachgerade für verantwortungslos und frevelhaft. "Ich halte das für eine Bestätigung der Selbstgerechtigkeit, die einen wirklichen Umgang und eine wirkliche Aufarbeitung, die nach wie vor unerlässlich ist, verhindern." Solche Filme seien lediglich ein "Marketing-Gag", kritisierte Waltz in Anspielung zum Beispiel auf Bernd Eichingers "Der Untergang".
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