Seine Aussagen, die die Einzeltätertheorie infrage stellten, zum privaten Bereich der 21-Jährigen und zu Vorwürfen gegen die Behörden lösten Irritation aus. Mittlerweile erhält er aber Rückendeckung von allen Kommissionsmitgliedern und wird in seinen Aussagen unterstützt.
Einzeltäter unrealistisch
Erst am Sonntag meldete sich Johann Rzeszut, Kommissionsmitglied und Ex-Präsident des Obersten Gerichtshofs (OGH), zu Wort. Er ging noch einen Schritt weiter und warnte, dass Kampusch durch einen Mittäter ihres Entführers Wolfgang Priklopil Gefahr drohe.
In der Tageszeitung "Österreich" sagte Rzeszut, "dass eine Person, die während der Zeit der Opferabhängigkeit wiederholt gemeinsam mit Priklopil und dem Tatopfer gesehen wurde, akzentuierten Erklärungsbedarf hat" und Kampusch "eine ganze Reihe möglicher Motive für bewusste (...) unwahre Angaben" habe. "Der Tatplan eines Einzeltäters, ein Kind in verbautem Gebiet mit einem selbst gelenkten, von außen einsehbaren Kraftfahrzeug zu entführen", sei "völlig unrealistisch".
Auch Adamovich bekräftigte gegenüber der APA noch einmal diese Vermutung. Es könne sein, "dass Natascha Kampusch selbst gefährdet ist".
Bundeskriminalamt wehrt sich
Das Bundeskriminalamt (BK) äußerte sich am Dienstag zu der laufenden Diskussion. Das BK sehe keine veränderte Gefahrenlage durch einen möglichen Komplizen, sagte der Sprecher der ermittelnden Sonderkommission, Gerhard Lang.
Aufklärungsbedarf oder Geltungsbedürfnis?
Kampusch bleibt bei ihrer Angabe, dass nur ein Täter, Priklopil, sie entführt und gefangen gehalten habe. Auch ihre Berater dementierten, dass die 21-Jährige von Kriminellen unter Druck gesetzt werde und Personenschutz benötige.
Sind die Aussagen von Adamovich und Rzeszut nur dem Geltungsbedürfnis zweier prominenter Juristen zuzuschreiben, oder sind tatsächlich weitere Ermittlungen in dem Entführungsfall notwendig?
Im Ö1-Morgenjournal stellten sich auch die anderen Mitglieder der im Innenministerium angesiedelten Evaluierungskommission hinter den Leiter. "Wir tragen die Aussagen von Ludwig Adamovich mit", betonte Rudolf Keplinger, Chef des Landeskriminalamts Oberösterreich. Alle sechs Mitglieder seien einer Meinung, dass der große Kriminalfall von A bis Z geklärt werden müsse.
Drei offene Fragenbereiche
Für die stellvertretende Kommissionsvorsitzende und Strafrechtsprofessorin Susanne Reindl-Krauskopf gibt es drei offene Fragenkomplexe: Wie passierte die Entführung? Wie lief die Gefangenschaft ab? Und wer wusste davon? Keiner dieser Bereiche sei ausreichend beantwortet - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Die Berater von Kampusch reagieren empört auf die zahlreichen Aussagen in der Öffentlichkeit. Die Mitglieder der Kommission würden "psychologisch und medial unverantwortlich" agieren. Kampusch leide an der Berichterstattung "voller unbewiesener Aussagen und Unterstellungen". Aus der Kommission hieß es wiederum, dass die Mitglieder nicht berechtigt seien, direkt mit Kampusch zu sprechen.
Streit über Ermittlungen
Die Evaluierungskommission, deren Endbericht seit Juni 2008 vorliegt, fordert eine Fortsetzung der Ermittlungen im Fall Kampusch. Kritisiert wurden Pannen bei den Erhebungen und auch, dass die Ermittlungsarbeit erschwert worden sei. Für die Kommission ist der Fall daher nicht abgeschlossen, die Staatsanwaltschaft sieht das jedoch anders und wies bisher jede Kritik zurück.
Diesen Konflikt sah Reindl-Krauskopf gegenüber Ö1 in der neuen Strafprozessordnung begründet. Damit wurden, wie Ö1 berichtete, die Untersuchungsrichter abgeschafft. Die Staatsanwaltschaft hat nun bei Strafverfahren das Sagen und kann Ermittlungsaufträge an die Polizei erteilen.
Einsicht in Akten
Die Kritik der Kommission erhöhte allerdings den Druck auf die Staatsanwaltschaft. Den Ermittlern des Bundeskriminalamts wurde daraufhin Einblick in das Protokoll der ersten Einvernahmen von Kampusch gewährt. Über den Inhalt dürfen die Mitglieder der Kommission zwar nicht sprechen - aber über ihre Analysen. Darauf basieren auch die einzelnen Aussagen der Kommissionsmitglieder.
Damit muss sich nun die
Oberstaatsanwaltschaft Graz beschäftigen, die seit vergangener Woche ohne zeitliche Begrenzung mit dem Fall Kampusch betraut ist.
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