Selten war eine PR-Aktion einer Regierung so gründlich danebengegangen: Damit man hübsche Fotos von der Präsidentenmaschine über der Freiheitsstatue schießen konnte, wurde der Jet am 27. April im Tiefflug über New York gejagt - ohne dort jemandem Bescheid zu geben.
Warnungen beiseitegeschoben
Dass das in New York zu Panik und Angst vor einem Terroranschlag wie am 11. September 2001 führen würde, war zwar naheliegend. Im US-Verteidigungsministerium kam jedoch niemand auf diese Idee und Warnungen wurden arrogant beiseitegewischt, wie nun klar ist.
Wie das Online-Magazin "Politico" aufdeckte, stellte das Verteidigungsministerium am Freitag alle Fotos von dem PR-Manöver online. Weit interessanter sind allerdings die begleitenden Dokumente, die nun ebenfalls auf den Seiten der US-Regierung nachzulesen sind.
Gründe für Veröffentlichung unklar
Das Verteidigungsministerium erklärte, man habe gemäß dem "Freedom of Information Act" gehandelt. Dass jemand tatsächlich "Air Force One" aus 146 verschiedenen Blickwinkeln sehen wollte, bezweifelt allerdings nicht nur New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg.
"Sie haben mich nicht gefragt, ob sie mit dem Flugzeug da herumfliegen dürfen, und wegen der Fotos haben sie mich auch nicht gefragt", wurde Bloomberg vom Sender NBC zitiert. Anstelle von "denen" würde er jedoch darauf achten, sich möglichst ruhig zu verhalten, so Bloomberg.
"Hat mit 9/11 zu tun"
Obwohl weite Teile der Dokumente unkenntlich gemacht wurden, bleibt noch genügend zum Kopfschütteln übrig. Die Dokumentation der Causa beginnt vor dem Vorfall - mit Mails, in denen etwa Militärberater des Weißen Hauses bedauern, dass sie nicht mitfliegen dürfen.
Nur eine Warnung ist dokumentiert. Sie kam von einem Air-Force-Captain und ging an einen Piloten der "Air Force One"-Crew. Darin heißt es: "New Yorker Bevölkerung kann sensibel auf Flugzeuge reagieren, die tiefer als normal zu fliegen scheinen. (...) Hat mit 9/11 zu tun."
"Fliegst Du selbst?"
Auch der Air-Force-Captain war jedoch begeistert von der Idee eines Tiefflugs über New York: "Fliegst Du selbst? Wenn ja, was für eine tolle Gelegenheit", und dann der scherzhafte Zusatz: "Kann ich Deine Tasche tragen?" Ohnehin wurden seine Bedenken in den Wind geschlagen.
In der Antwort hieß es nur, die Vorbereitungen für den Flug seien abgeschlossen. Wenig später startete "Air Force One", und der Skandal war perfekt. Eine der ersten Reaktionen aus dem Weißen Haus: "Bringt unter die Leute, das wir nichts damit zu tun hatten."
Chaotischer Chefpilot
Eine der treibenden Kräfte bei dem missglückten PR-Projekt dürfte Scott Turner selbst gewesen sein, der Chef der "Air Force One"-Crew. Schon vorab schwärmte er davon, welche wunderbaren "13-x-18-Hochglanzbilder" der Flug wohl abgeben würde.
Danach waren Turners Reaktionen chaotisch. Anfangs verteidigte er die Aktion damit, dass die letzten PR-Fotos des Jets schon 18 Jahre alt seien und es deswegen neue gebraucht habe. Dann schwenkte er plötzlich um und erklärte, es habe sich um ein "Flugtraining" gehandelt.
"Bei vorgefertigter Antwort bleiben"
Als Turner darauf aufmerksam gemacht wurde, dass man zuvor schon erklärt hatte, es habe sich um eine PR-Aktion gehandelt, schickte er nur die Botschaft aus: "Bei der vorgefertigten Antwort bleiben." Inzwischen wurde auch das Pressebüro des Pentagons nervös.
"Geschichte schlägt immer noch Wellen, überraschend hartnäckig", wunderte man sich dort und stellte fest: "Leute im Zusammenhang mit Angst betroffen. (...) Viele Kommentare in Blogs, alles negativ gegenüber der Regierung, aber nicht notwendigerweise der US-Luftwaffe."
Armee als Komikertruppe
Das Weiße Haus distanzierte sich allerdings bald darauf von dem ganzen Debakel. Ein wildes Karussell an Schuldzuweisungen innerhalb des Militärs war die Folge, mit dem Kommentar eines Air-Force-Majors, "dass wir jetzt ausschauen wie die Three Stooges" (US-Komikertrio, Anm.).
"Toll, wenn jeder mit dem Finger auf wen anderen zeigt, damit wir alle wie Idioten dastehen", hieß es aus dem Militär. Und die Nationalgarde gab die Order aus: "Empfehle, sich aus der Prügelei rauszuhalten, sonst sieht es noch so aus, als würden wir dazugehören."
Lukas Zimmer, ORF.at
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