Schröcken am Arlberg nassester Ort Österreichs

Maximale Regenmenge als einfache Formel.
Das erste Halbjahr 2009 war das regenreichste seit fast 200 Jahren. Erst einmal, 1965, wurden ähnliche große Regenmengen gemessen wie in diesem Halbjahr. Zu diesem Ergebnis kommt die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in einer ersten Analyse und verwendet dabei sowohl direkte als auch indirekte Messmethoden aus 190 Jahren.

Zugleich bestätigen auch die österreichischen Versicherungen, dass die letzten sechs Monate mehr als außergewöhnlich verlaufen sind. Das Hochwasserereignis Ende Juni war eines der größten Schadensereignisse bisher, nur übertroffen von der Jahrhundertflut 2002.

Nur mit Unwetter 2002 vergleichbar
Auch das Unwetter und Hagelereignis vom 23. Juli war eines der schlimmsten der letzten Jahrzehnte und ist in der Schadenshistorie der Versicherer nur mit dem Unwetterereignis 2002 vergleichbar. "Das Besondere ist die Kombination zweier solcher Extremereignisse in nur kurzer Zeit", meint Rupert Pichler, Naturgefahrenexperte der Allianz-Versicherung.

Auch Juli 2009 viel zu regenreich
In einigen Regionen Österreichs war auch der Juli doppelt so nass wie normal. In St. Pölten regnete es mit 208 Millimeter im Juli fast zweieinhalbmal so viel wie normal, und das, obwohl der Monat sowieso schon der regenreichste des Jahres ist.

"Wet Spots" in Österreich
Stellt sich die Frage: Wo liegen die nassesten Plätze in Österreich? Die ZAMG, die in Österreich über 200 Wetterstationen betreibt, hat eine klare Antwort: Im Schnitt regnet es in Schröcken am Arlberg mit 2.309 Millimeter am meisten.

Aus der Hitliste der regenreichsten Stationen stechen vor allem die Regionen im Bregenzerwald und im Salzkammergut hervor. Das bestätigen auch Analysen der ZAMG, die die Punktwerte der Wetterstationen auf die Fläche in Österreich ausgerechnet hat.

In beiden Regionen werden bei den in Österreich verbreiteten Westwetterlagen die Wolken am längsten gestaut, und entsprechend regnet es auch am längsten.

Größter Jahresniederschlag
OrtJahressumme (mm)JahrZeitraum
Altaussee329019441900-2002
Schröcken317319701925-2008
Loibl-Tunnel309819601958-2008
Feuerkogel (Bergstation)381119441930-2008

Geringster Jahresniederschlag
OrtJahressumme (mm)JahrZeitraum
Retz29119781895-2008

Mittlere Jahressumme (1971-2000)
OrtJahresumme (mm)
Schröcken2309
Loibl-Tunnel2165
Schoppernau1908
Bad Ischl1699
Langen am Arlberg1654
Wien620
Laa/Thaya492
Langenlois451
Retz442
Feuerkogel (Bergstation)1829

"Dry Spot" im Weinviertel
Auf dem Arlberg regnete es mehr als fünfmal so viel wie an der Station mit dem wenigsten Regen. Diese liegt im Nordosten Niederösterreichs in Retz. Hier misst das Regenmessgerät im Schnitt nur 442 Millimeter pro Jahr. Im vergleichsweise trockenen Weinviertel ziehen etwa Frontensysteme von Westen her rasch durch, es fehlen die Bergregionen, die die Wolken aufhalten können, und entsprechend rasch setzt sich nach einem Wetterumschwung wieder die Sonne durch.

Die absoluten Regenmaxima und Regenminima
Retz hat auch den Österreich-Rekord der trockensten Stadt inne: Seit es Messungen gibt, wurde nie wieder so wenig Regen gemessen wie im Jahr 1978. Damals waren es gerade einmal 291 Millimeter.

Regenmessgerät der ZAMG / ©Bild: ZAMG
Regenmessgerät der ZAMG / ©Bild: ZAMG
Umgekehrt wurde die größte je gemessene Niederschlagsmenge an einer Bergstation registriert. Auf dem Feuerkogel im Salzkammergut waren es in der Periode von 1930 bis 2008 in einem Jahr sage und schreibe 3.811 Millimeter Niederschlag - sei es in Form von Regen oder Schnee.

Was kann eine Wolke maximal an Regen lassen?
"Schusterbuben regnen", "regnen wie aus Schaffeln" - Synonyme in unserem Sprachraum für große Regenmengen. Gibt es aber eine physikalische Grenze, lässt sich sagen: so viel Liter pro Quadratmeter während einer bestimmten Zeit und nicht mehr?

Die Natur hat sich dabei eine einfache Formel ausgesucht. Die maximale Regenmenge lässt sich mit der Quadratwurzel der Zeitdauer eines Regenereignisses beschreiben.

©Bild: NOAA
©Bild: NOAA
Trägt man die Regenrekorde in Relation zur Dauer auf, liegen alle Weltrekorde ziemlich genau auf einer Linie - und sie gilt für alle Regenrekorde der Welt: vom meisten Regen in acht Minuten (in Füssen in Bayern aus dem Jahr 1920 mit 126 Millimeter) bis zum meisten Regen in zwei Jahren (Cherrapunji in Indien mit 40.768 Millimeter).

Regenrekorde nicht nur in den Tropen
Eine wirkliche Erklärung gibt es nicht, warum gerade die Quadratwurzel der Regenzeitspanne die Niederschlagsweltrekorde erklärt. Thomas Haiden, Leiter der Abteilung Vorhersagemodelle an der ZAMG in Wien, meint, dass Extremregenmengen nicht unbedingt in den Tropen auftreten müssen. Im Minutenbereich seien Weltrekorde etwa auch im Alpenraum und auf dem Balkan möglich.

Langfristig "gewinnt" immer Indien
Erst bei einem Zeitraum von 24 Stunden sind Regenmengen von 1.825 Millimeter nur in den Tropen wie auf der Insel La Reunion möglich. Bei diesem Ereignis aus dem Jahr 1980 mussten ein damals auftretender tropischer Wirbelsturm und die besonderen geografischen Gegebenheiten der Insel "perfekt zusammenspielen". Schließlich verläuft quer über die Insel eine Vulkankette mit über 3.000 Meter hohen Gipfeln, hier stauen sich die Wolken und regnen sich schier ohne Ende aus.

Ab einem Zeitraum von mehr als einem Monat reicht auch diese Kombination nicht mehr aus, dann muss auch der Monsunregen eine wichtige Rolle spielen. Ab 31 Tagen bis zum Zweijahresrekord liegen die Regenweltrekorde ausschließlich im Osten Indiens.

Tourismus der besonderen Art
Es muss übrigens kein Nachteil sein, als regenreichster Ort der Welt zu gelten. In Meghalaya im östlichen Indien macht man sogar Werbung damit. Die Wetterstation der Stadt Cherranpunji steht schließlich im Guinness-Buch der Rekorde, Besucher begrüßt man mit der Tafel: "Der nasseste Platz auf unserem Planeten Erde". Und hofft dabei, nicht nur Pilgerstätte und Anziehungspunkt für Klimatologen der Welt zu sein.

Rainer Schultheis, ORF-Wetter

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