Woodstock gilt heute als Synonym für die Hippie-Kultur. Dabei war das Megafestival im "Summer of 69" einer der letzten Höhepunkte der auseinanderdriftenden Bewegung. Der ORF widmet sich dem Thema ab Sonntag mit einem Programmschwerpunkt.
Freie Liebe
Das Jahr, in dem die Subkultur der Hippies erstmals eine große Öffentlichkeit fand und in den Mainstream überschwappte, war eigentlich 1967. Im "Summer of Love" trafen einander Blumenkinder, übrig gebliebene Beatniks und LSD schluckende Psychologen in der Hippie-Welthauptstadt San Francisco zu Happenings und freier Liebe.
Ein Jahr später läuteten die Studentenbewegungen in vielen europäischen Ländern und die Ermordung Martin Luther Kings in den USA politische und gesellschaftliche Veränderungen ein.
Von Mond bis Manson
Der Sommer 1969 schließlich mag weniger solcher bis heute spürbarer Entwicklungen in Gang gebracht haben, aber in diesem Jahr wurde die einstige Hippie-Gegenkultur endgültig zur Massenbewegung - und viele Einzelereignisse haben sich bis heute im kollektiven Bewusstsein verankert.
1969 war das Jahr, in dem Hunderte Millionen Menschen aus aller Welt live dabei waren, als erstmals Menschen den Mond betraten. Richard Nixon wurde US-Präsident, der Jungfernflug der Boeing 747 fand statt, das erste künstliche Herz wurde implantiert, in Deutschland wurde das umstrittene neue Fach Sexualkunde an den Schulen eingeführt, und die Anhänger von Charles Manson schockierten mit brutalen Morden die Welt.
Toter im "Park der Menschen"
Daneben war es ein Jahr der heftigen, oft gewalttätigen politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen.
Das schlug sich auch bei der spürbar ausfransenden Gegenkultur nieder. Im Frühjahr war noch alles eitel Wonne: In Berkeley, der Universitätsstadt bei San Francisco, besetzten Hippies eine ungenutzte Abrissfläche, pflanzten Blumen und machten sie zum öffentlichen "Park der Menschen". Im Mai war es vorbei mit der Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung: Ein Student wurde bei gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei erschossen.
Beatles musizieren auf dem Dach
Disparate Entwicklungen prägten Musik und Film. Die Beatles, prototypische Hippie-Helden, standen kurz vor der Auflösung und gaben ihr letztes Konzert auf dem Dach ihrer Plattenfirma Apple Records in London. John Lennon und seine Neo-Ehefrau Yoko Ono machten kurz darauf mit ihrem "Bed-in" in einem Hotelzimmer in Motreal Schlagzeilen und nahmen "Give Peace a Chance", die Friedenshymne zum Mitschunkeln, auf.
Hoppers "Easy Rider"
Bei den Filmfestspielen von Cannes hatte im Frühjahr 1969 "Easy Rider" Premiere. Der aufstrebende Jungregisseur und -darsteller Dennis Hopper hatte versucht, den Zeitgeist einzufangen. Eigentlich kam er damit etwas zu spät: Abgedreht war der Streifen schon ein Jahr früher.
Filmhistorisch relevant ist "Easy Rider" weniger als Dokument der späten 60er, sondern weil er die künstlerisch höchst fruchtbare "New Hollywood"-Phase einläutete.
500.000 Besucher
Der unumstrittene Höhepunkt der Hippie-Kommerzialisierung war schließlich das Woodstock-Festival bei Bethel im US-Bundesstaat New York im August 1969.
Es war weder das erste noch das originellste Open-Air-Festival dieser Zeit, wurde aber von einer halben Million Besucher regelrecht gestürmt. Das vorherrschende Chaos ist legendär, und das Festival hat bis heute Kultstatus.
Unter anderen traten Jimi Hendrix, Joan Baez, Janis Joplin, The Grateful Dead, Creedence Clearwater Revival, Crosby, Stills, Nash & Young, Carlos Santana, The Who und Jefferson Airplane auf. Woodstock wurde zum Synonym für eine Epoche, die eigentlich schon wieder vorbei war.
Das Gegenteil von Woodstock
Bei der inoffiziellen Fortsetzung ein paar Monate später platzte endgültig der Traum von der Hippie-Idylle. Im kalifornischen Altamont hatte man "Woodstock West" angesetzt, später umbenannt in "The Altamont Free Concert". Die Hells Angels sollten für die Sicherheit der 300.000 Besucher sorgen - keine gute Wahl.
Beim Auftritt der Rolling Stones wurde der 18-jährige Meredith Hunter von einem Mitglied des Motorradclubs erstochen, nachdem er eine Waffe gezogen hatte. Spätestens mit Hunters Tod hatte die Hippie-Bewegung ihre Unschuld verloren.
TV-Hinweis
Ein ORF-Schwerpunkt beleuchtet vom 2. August bis 3. September mit mehr als 20 Filmen, Dokumentationen und Sendungen, was vom "Summer of 69" und seinen Idealen geblieben ist - mehr dazu in programm.ORF.at.
Links:
- Woodstock-Festival (inoffizielle Website)
- Ereignisse des Jahres 1969(Wikipedia)
- New York Times