Wasser als Lebensmittelpunkt

In den Niederlanden entsteht 2010 Europas erster schwimmender Wohnkomplex.
Die neue Devise der Niederländer lautet: nicht mehr gegen das Wasser kämpfen, sondern mit dem Wasser leben. "Aquawohnen" heißt der Trend - und immer mehr niederländische Architekten sehen den Klimawandel als Chance.

Der Meeresspiegel könnte wegen der Klimaerwärmung bis ins Jahr 2100 um 82 Zentimeter steigen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von Forschern aus England, den USA und der Schweiz. Die Voraussagen decken sich weitgehend mit jenen des Weltklimarats.

©Bild: Architect Koen Olthuis - Waterstudio.nl
©Bild: Architect Koen Olthuis - Waterstudio.nl
Das niederländische Ministerium für Städteplanung und Wohnen hatte deshalb 15 Hochwassergebiete ausgewiesen, in denen flutresistente Wohnmodelle geschaffen werden sollen. Bisheriger Höhepunkt der Bemühungen: "The Citadel". Im März 2010 soll Europas erster schwimmender Wohnkomplex mit 60 Appartements entstehen.

"In 48 Stunden unter Wasser"
Rund 60 Prozent der niederländischen Bevölkerung leben auf Flächen, die unter dem Meeresspiegel liegen, erklärte der niederländische Architekt Koen Olthuis das Dilemma.

Es gibt 3.500 Polder, durch Eindeichung gewonnenes Land. Man habe das Land dem Wasser abgetrotzt, so Olthuis. "Aber wenn wir alle Wasserpumpen stoppen würden, wäre dieses Land in nur 48 Stunden unter Wasser."

"Alles muss schwimmen können"
Olthuis ist einer der Vordenker einer neuen Generation von Landschafts- und Städtevisionären. "Wenn der Wasserspiegel überall hoch ist, haben wir ein Problem", sagte der Architekt.

"Was machen wir also? Wir schaffen Polder mit Wasser. Und dafür brauchen wir eine Infrastruktur, die schwimmen kann - schwimmende Häuser, schwimmende Appartements, schwimmende Straßen."

Geparkt wird in den Fundamenten
Nach bereits realisierten und in Bau befindlichen Projekten wie dem künstlichen Archipel Ijburg im Osten von Amsterdam soll nun vor Rotterdam im Südwesten des Landes "The new Water" umgesetzt werden. Teil des ambitionierten Projekts auf einer Fläche von 70 Hektar ist die erste schwimmende Wohnhausanlage Europas.

Vier Stockwerke und 60 Wohnungen soll der Appartementkomplex umfassen. Geplant wurde die Wohnanlage auf dem Wasser von Olthuis' Architekturbüro Waterstudio.

"Wir haben eine eigene Technik, ein Fundament aus Beton und Schaumstoff, das die Häuser ebenso stabil macht wie jene auf dem Festland", so Olthuis. Die Freiräume der Fundamente werden als Tiefgarage genutzt, heißt es in der Projektbeschreibung.

Mit Blick aufs Wasser
Neben Blick aufs Wasser versprechen die Planer für die Mehrheit der Appartements auch eine Bootsanlegestelle. Eine Straße - die ein wenig an die Zugbrücke einer mittelalterlichen Burg erinnert - soll die Anlage mit dem "Festland" verbinden.

Aufgrund der erhöhten Korrosionsgefahr wird die Fassade aus Aluminium errichtet, wie Olthuis erklärte. Über die gesamte Nutzungsdauer gerechnet werde der Energieverbrauch dank erneuerbarer Energien um 25 Prozent geringer ausfallen als bei konventionellen Häusern auf dem Festland.

"Bessere Welt auf dem Wasser"
Längst nicht alle futuristisch anmutenden Projekte der ambitionierten Architekten wurden bisher umgesetzt, doch Olthuis zeigte sich zuversichtlich: "300 große Städte liegen am Wasser - entweder an einem Delta oder in der Nähe eines Flusses -, und all diese Städte werden in den nächsten Jahren wachsen müssen."

Er wolle beweisen, dass man auch auf dem Wasser wachsen könne und dabei noch dazu sicher vor Überflutungen und dem Klimawandel sei: "Wir werden eine bessere Welt auf dem Wasser erschaffen."

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