Held trotz Bruchlandung

Vor 100 Jahren überflog Louis Bleriot als Erster den Ärmelkanal.
In der Nacht auf den 25. Juli 1909 hat Louis Bleriot - begleitet von nur wenigen Mitarbeitern - sein neuestes Flugzeug auf einem Feld bei Calais in Startposition gebracht: einen Eindecker mit einem Rumpf aus Eschenholz, Tragflächen mit gummiertem Leinen ummantelt und dünnen Drähten stabilisiert, einem Fahrwerk aus zwei Fahrradrädern und einem kleinen 3-Zylinder-Anzani-Motor mit 25 PS. Das Flugzeug war auf den Namen "Bleriot XI" getauft.

Der Holzpropeller ratterte. Um 4.41 Uhr hob das zerbrechlich wirkende, 7,05 Meter lange Fluggerät mit einer Spannweite von 7,80 Metern ab und stieg auf 50 Meter Höhe. 38 Minuten später, um 5.19 Uhr, war das Abenteuer gelungen. Bleriot setzte auf einem Acker bei Dover an der englischen Küste auf.

©Bild: AP
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Dass das Fahrwerk bei der Landung einknickte, störte den damal 37-Jährigen nicht mehr - Bleriot hatte als erster Mensch den Ärmelkanal überquert und wurde als Held gefeiert. Er hatte den Preis der "Daily Mail" in Höhe von 1.000 Pfund gewonnen, in London wurde er vom englischen König begrüßt, in Paris erhielt er das Kreuz der Ehrenlegion.

"Werkstatt für Aeroplane"
Vom Konkurs, der Bleriot vor dem Flug gedroht hatte, war nun keine Rede mehr. Neue Flugzeugbestellungen prasselten förmlich herein. Schon 1899 hatte Bleriot ein Schlagflügelflugzeug konstruiert, dem allerdings kein Erfolg beschieden war. 1905 folgte ein Gleitflugzeug.

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1905 gründete er gemeinsam mit Gabriel Vosin, einem anderen französischen Luftfahrtpionier, eine "Werkstatt für Aeroplane". Im Sommer 1907 gelangen ihm erste Luftsprünge über 150 Meter, am 6. Juni 1908 blieb er mit seiner "Bleriot VII" sogar acht Minuten in der Luft. Wenig später, am 31. Oktober 1908, gelang ihm ein erster Überlandflug von Toury nach Artenay über 14 Kilometer und elf Minuten Dauer.

Erster Pilot mit über 100 km/h
Zum Idol einer schon seit der Jahrhundertwende flugbegeisterten Nation aber wurde Bleriot durch seinen Flug über den Ärmelkanal. Ein Jahr später erreichte er als erster Pilot eine Geschwindigkeit von mehr als 100 km/h.

Der Internationale Luftsportverband (FAI), dessen Präsident er wurde, wahrte sein Vermächtnis mit der Louis-Bleriot-Medaille, die seit 1936 alljährlich für außergewöhnliche Rekordleistungen mit Sportflugzeugen verliehen wird.

Vom Abenteurer zum Serienproduzenten
Im Ersten Weltkrieg baute er in dem von ihm gegründeten Flugzeugwerk Bleriot Aeronautique S.A. Jagdflugzeuge; nach Kriegsende wurden in seinen Hallen Sport- und Militärflugzeuge hergestellt. Bleriot starb am 1. August 1936 im Alter von 64 Jahren.

Sein Werk wurde von der Firmengruppe Ouest Aviation Societe Nationale de Constructions Aeronautiques übernommen, die später in der Sud-Aviation aufging; dieses Unternehmen wurde schließlich zur Basis des späteren Staatskonzerns Aerospatiale, der heutzutage eine Schlüsselrolle im europäischen Airbus-Konsortium spielt.

"Kein Hobby von Spinnern"
"Bleriot hat damals als Erster bewiesen, dass Flugzeuge kein Hobby von Spinnern sind", sagt Francois Mathias, Experte am Pariser Musee des Arts et Metiers. Wenn der Pionier nicht vor hundert Jahren die Realisierbarkeit des Fliegens demonstriert hätte, hätte Neil Armstrong nicht 60 Jahre später seinen Fuß auf den Mond gesetzt, ist er sicher.

Jungfernflug wiederholt
©Bild: APA/EPA/Ali Haider
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In Calais und Dover wird der 100. Geburtstag des historischen Fluges am Samstag ausgiebig gefeiert. Der Pilot Edmond Salis überflog am Vormittag mit einer Originalmaschine den Kanal.

Das Musee des Arts et Metiers zeigt in einer Sonderausstellung den Werdegang Bleriots vom Scheinwerferbauer zum Gründungsvater der modernen Flugzeugindustrie.

Lindbergh: "Das würde ich nicht machen"
"Er war nicht der erste Pionier", so Mathias. Der Deutsche Otto Lilienthal glitt schon in den 1890er Jahren durch die Lüfte, allerdings ohne Motor. Die amerikanischen Brüder Wright hoben 1903 mit Motorantrieb ab, kamen jedoch nur einige Meter weit.

Als Charles Lindbergh am 21. Mai 1927 als erster Mensch den Atlantik überquerte und in Le Bourget bei Paris landete, ließ er sich zuerst von Bleriot umarmen und beglückwünschen. Er würde gleich morgen in seinem eigenen Flugzeug zurück über den Atlantik fliegen, soll er gesagt haben. "Aber in ihrem Bleriot XI über den Kanal, das würde ich nicht machen."

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