Ein Gangster mit Vorsatz

"Wenn ich hier rauskomme, werde ich der niederträchtigste Bastard sein, den ihr je gesehen habt."
John Dillinger ist derzeit in aller Munde. Vor 75 Jahren wurde der berüchtigte Bankräuber vor dem Biograph-Theater in Chicago von der Polizei erschossen. Dillinger war der erste Verbrecher, den das FBI als "Staatsfeind Nr. 1" bezeichnete.

"Public Enemies" heißt auch ein neuer Film über Dillinger, der sich in den USA seit Wochen in den Kinocharts hält. Regisseur Michael Mann widmet sich darin auch der Verfolgung anderer berüchtigter Verbrecher wie Baby Face Nelson und Pretty Boy Floyd durch das FBI in den 30ern. Johnny Depp spielt in dem Film Dillinger, Christian Bale den legendären FBI-Agenten Melvin Purvis.

Dudelsack und Bier
Um den legendären Gangster gibt es einen regelrechten Kult. In Chicago wird der 22. Juli alljährlich von der 1966 als Studentenspaß gegründeten "John Dillinger Died For You Society", also der John-Dillinger-ist-für-dich-gestorben-Gesellschaft, gefeiert.

Für deren Anhänger ist der jährliche "Dillinger Day" Anlass für eine Prozession zum Biograph-Theater - inklusive exzessive Barbesuche in der Umgebung. Zu den Bräuchen gehören Dudelsackspielen, Ansprachen - und das Ausschütten von Bier an der Stelle, an der Dillinger vermutlich starb.

Aus Anlass des 75. Todestages sollen heuer außerdem die Ereignisse rund um den Tod des Gangsters an Originalschauplätzen nachgespielt werden.

Erfundener Vereinsgründer
Als Gründer gibt die Gesellschaft einen gewissen "Dr. Horace Naismith" an, einen angeblichen unehelichen Sohn Dillingers. In Wahrheit handle es sich dabei um den ehemaligen "Playboy"-Redakteur Bill Helmer, enthüllte die "Chicago Tribune" jüngst.

Unter anderem gehörte der Kultautor Robert Anton Wilson zu den Mitgliedern, der Dillinger auch in seinen "Illuminatus!"-Romanen auftauchen lässt.

"John hätte es so gewollt"
Der innere Kreis der Gesellschaft erhielt Visitenkarten, auf denen die Besitzer als "Hilfskassier" bezeichnet und mit dem Recht zur Einhebung von Mitgliedsgebühren ausgestattet werden, die sie dann selbst behielten - "denn John hätte es so gewollt".

Helmers etwas obskure Leidenschaft war entstanden, weil er als Student eine Arbeit über die von Dillinger gern verwendete Thompson-Maschinenpistole, besser bekannt als Tommy Gun, verfasste.

Auto- und Hühnerdieb
Dabei bietet Dillingers Biografie im Gegensatz zu manchen anderen gesuchten Verbrechern eigentlich wenig Substanz zur Romantisierung. Der Bandenchef, der auf Platz eins der Fahndungsliste stand, ätzte etwa über das damals schon populäre Kriminellenduo Bonnie und Clyde, es handle sich um "ein paar Kids, die Geld aus Lebensmittelläden klauen".

Ursprünglich war auch Dillinger höchstens ein Kleinkrimineller mit einer für die Zeit vor der Weltwirtschaftskrise typischen Biografie. Er arbeitete nach seiner Schulzeit in einer Maschinenfabrik in Indianapolis, war aber als rebellischer Herumtreiber bekannt. Verbrieft sind auch ein Autodiebstahl und der Diebstahl von 41 Hühnern.

Große Sprüche
Nach der unehrenhaften Entlassung aus der US-Armee und einer problematischen Ehe, die 1929 geschieden wurde, überfiel Dillinger mit einem Freund ein Lebensmittelgeschäft. Er wurde geschnappt und zu zehn bis 20 Jahren Haft verurteilt.

Erst im Gefängnis begann Dillinger, sich als großer Gangster zu gerieren. "Wenn ich hier rauskomme, werde ich der niederträchtigste Bastard sein, den ihr je gesehen habt", soll er gesagt haben.

Überfälle und Ausbrüche
1933 wurde Dillinger freigelassen. Seine kriminelle Karriere zwischen der Entlassung und seinem gewaltsamen Tod dauerte nur 14 Monate, in denen er alles tat, um sein Versprechen wahr zu machen.

Mit seiner Bande überfiel er mindestens zwei Dutzend Banken, und er war verantwortlich für die Ermordung mehrerer Polizisten. Mehrmals wurden Dillinger und weitere Bandenmitglieder gefasst und inhaftiert, doch sie konnten immer wieder ausbrechen - meistens mit Waffengewalt.

Im Oktober 1933 floh ein Teil der Dillinger-Bande mit in die Zellen geschmuggelten Waffen, tötete dabei zwei Wächter und kehrte später wieder zurück, um auch ihren Anführer zu befreien.

Perfide Methoden
In diesem Stil ging es weiter. Dillingers Methoden trugen zur Legendenbildung bei: So soll er sich etwa als Vertreter für Sicherheitssysteme ausgegeben haben, um Zutritt zu Banktresoren zu erhalten, und einmal gab sich seine Bande angeblich als Filmteam aus, das auf der Suche nach Drehorten für eine Banküberfall-Szene sei.

Dillinger war frech: Er überfiel sogar Waffenlager der Polizei, um sein Arsenal an Maschinengewehren, Munition und kugelsicheren Westen aufzustocken.

Verrat durch die "Lady in Red"
Am 21. Juli 1934 kontaktierte schließlich eine Bekannte von Dillingers Geliebter das FBI und verriet im Austausch für Geld und eine Aufenthaltsgenehmigung, dass der Gangster und die zwei Frauen am nächsten Tag im Biograph-Theater in Chicago einen Kinofilm ansehen würden.

Zur schnelleren Identifizierung trug sie ein orangerotes Kleid, weshalb sie in den Zeitungen später als "Lady in Red" bezeichnet wurde. Beim Zugriff des FBI kam es zu einem Schusswechsel. Dillinger wurde von drei Kugeln getroffen und starb.

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