Derzeit lebt die "Byronmania" wieder auf: Im englischsprachigen Raum sorgt eine neue Biografie des prototypischen Dandys für Furore. In "Byron in Love" widmet sich die irische Schriftstellerin Edna O'Brien Byrons Leben, vor allem seinem Liebesleben.
Unzählige Affären
George Gordon Byron packte in seine 36 Lebensjahre Exzesse, von denen sich heute ein Dutzend Rockstars nähren könnten.
Da wären Affären mit Aristokratinnen und Schauspielerinnen, mit Bediensteten und Groupies beider Geschlechter, eine kurze, zerstörerische Ehe, das inzestuöse Verhältnis mit seiner Halbschwester. Seine Saufgelage waren - so wie das meiste andere, mit dem er zu tun hatte - legendär.
Byron als politischer Kämpfer
Dazu kamen Byrons ausgedehnte Reisen durch ganz Europa und den Nahen Osten. Neben Versepen und Gedichten hinterließ er Tagebücher und einen regen Briefwechsel mit Freunden und jedem, der zu seiner Zeit Rang und Namen hatte.
Er boxte und focht, und zum Drüberstreuen betätigte er sich auch noch zweimal als politischer Kämpfer - einmal beim nationalistischen Kampf der Carbonari gegen Österreich, später im griechischen Unabhängigkeitskrieg.
Titel vom "Wicked Lord" geerbt
Jedes Detail in Byrons Leben scheint sich als Stoff für Anekdoten zu eignen. Als Student in Cambridge soll er sich mit einem regelrechten Zoo umgeben haben - darunter Affen, Papageien, eine Ziege und ein Bär.
Sogar die Art und Weise, wie er an seinen Titel kam, ist ungewöhnlich: Er erbte ihn im Alter von zehn Jahren nach dem Tod seines Großonkels, der als Mörder galt und den Beinamen "the Wicked Lord" ("der verruchte Lord") trug. Mit im Lieferumfang des Adelstitels: Newstead Abbey, ein heruntergekommenes Anwesen in Mittelengland, in dem angeblich die Geister toter Mönche ihr Unwesen trieben.
Über Nacht berühmt
Berühmt wurde Byron mit 24, als er die ersten Teile seiner Verserzählung "Childe Harolds Pilgerfahrt" veröffentlichte. Das stark autobiografisch gefärbte Epos über einen jungen, lasterhaften Engländer, der aus seinem leeren Luxusleben ausbrechen will und unter anderem Portugal, Spanien und das Osmanische Reich bereist, war 1812 eine Sensation. "Eines Morgens wachte ich auf und war berühmt", soll Byron dazu gesagt haben.
Lamb packt aus
Die Beschreibung Byrons durch die junge Aristokratin Caroline Lamb, die eine Affäre mit ihm hatte, Schauerromane schrieb und mit 42 Jahren wegen ihres Alkohol- und Drogenkonsums starb, ist heute ein geflügeltes Wort: "Mad, bad, dangerous to know".
Lamb schrieb nach Ende der Affäre den nur leicht verschleierten Schlüsselroman "Glenarvon" - es sei kein Fall von "kiss and tell", wie man im Englischen veröffentlichte Bettgeschichten bezeichnet, sondern "fuck and publish", kommentierte Byron damals das Buch.
Verliebt in die Halbschwester
1813 lernte Byron seine Halbschwester Augusta, die Tochter seines als "Mad Jack" bekannten Vaters, kennen und begann eine Affäre mit der fünf Jahre älteren Mutter von vier Kindern. Vermutlich war er der Vater ihrer Tochter Elizabeth Medora Byron.
Augusta und andere Vertraute warnten Byron aber offenbar vor den Konsequenzen, sollte die inzestuöse Beziehung öffentlich werden. Vielleicht als Schutz davor heiratete er Annabella Milbanke, die Kusine einer Freundin, doch die Ehe war von Beginn an dem Untergang geweiht.
Horror-Hochzeitsnacht
"Ihre Hochzeitsnacht war das Gegenstück zu den Werken Edgar Allan Poes: Ein purpurner Vorhang fing Feuer. Der halluzinierende Bräutigam glaubte, er sei in der Hölle. Dann schritt er die lange, geisterhafte Wandelhalle mit geladenen Pistolen ab", schreibt O'Brien. Üble Misshandlungen bis hin zur Vergewaltigung prägten die Ehe.
16 Monate später war sie geschieden. Wegen der Trennung kam es zu einem öffentlichen Eklat, und Byron verließ England für immer, um in der Schweiz, Italien und Griechenland zu leben.
Vieles ausgeblendet
Angesichts der schillernden Persönlichkeit ist es kein Wunder, dass sich "Byron in Love" fast wie ein Roman liest. O'Brien spart aber einiges aus - nicht zuletzt Byrons Literatur.
Auch einige in Zusammenhang mit seinem Liebesleben nicht unwichtige Aspekte werden kurz erwähnt - vor allem, dass Byron als Bub von seinem Kindermädchen May Gray mehrmals sexuell missbraucht und geschlagen worden sein soll.
Homosexuelle Neigungen
In "Byron in Love" bleibt der Dichter zudem bis zum Schluss vor allem eins: ein großer Frauenheld, während andere Biografen seinen homosexuellen Affären viel mehr Platz widmen. Als Byron 1824 in Griechenland an Fieber starb, war Lukas an seiner Seite, ein Teenager, den er im griechischen Freiheitskampf kennengelernt hatte.
Die Masse der Trauernden beim Begräbnis in London musste mit Absperrungen im Zaum gehalten werden. Lord Byron war auch nach seinem Tod ein Star.
Links:
- Lord Byron (Wikipedia)
- "New York Times"-Rezension