Spätes zweites Verfahren

In den 90er Jahren scheiterte eine Verurteilung Demjanjuks in Israel.
Ob ein deutsches Gericht den mutmaßlichen NS-Verbrecher John Demjanjuk anklagen würde, war lange Zeit offen. Die Staatsanwaltschaft München wirft dem 89-Jährigen Beihilfe zum Mord in 27.900 Fällen vor.

Der Ukrainer Demjanjuk geriet 1942 als sowjetischer Soldat in deutsche Kriegsgefangenschaft. Er entschied sich zur Kooperation mit den Deutschen und wurde den Ermittlungen zufolge als "Trawnik" (einheimischer "Hilfswilliger") Aufseher im Vernichtungslager Sobibor im besetzten Polen.

Wächter in Bayern
Im Oktober 1943 wurde er nach Angaben der deutschen KZ-Gedenkstätte Flossenbürg in das Lager im süddeutschen Bayern abkommandiert und war dort bis Dezember 1944 Wachmann mit der Dienstnummer 1.393. Nach dem Krieg lebte Demjanjuk in verschiedenen Orten Bayerns, bevor er sich Anfang der 50er Jahre in die USA absetzte.

"Iwan der Schreckliche" in Treblinka?
Aufgrund einer Mitte der 70er Jahre von Sowjetbehörden an die USA übersandten Liste mit den Namen von 70 angeblich in den Vereinigten Staaten lebenden mutmaßlichen Kriegsverbrechern befasste sich die US-Justiz mit ihm.

Bei weiteren Recherchen glaubten Überlebende des Todeslagers Treblinka, in ihm den Gaskammerwärter "Iwan der Schreckliche" wiederzuerkennen. Wegen falscher Angaben über seine Vergangenheit bei der Einreise wurde ihm 1981 die widerrechtlich "erschlichene" US-Staatsbürgerschaft aberkannt.

Prozess in Israel
Im Februar 1986 lieferte ihn die US-Regierung an Israel aus, ein Jahr später begann dort sein Prozess. Am 25. April 1988 endete das Verfahren mit einem Todesurteil. Das Sondergericht sprach Demjanjuk wegen der Beihilfe zum Mord an mehr als 800.000 Juden sowie wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gegen das jüdische Volk schuldig. Er bestritt bis zuletzt, jemals KZ-Wächter gewesen zu sein, und bezeichnete sich als Opfer einer Verwechslung.

Rückkehr in die USA
Nach der Verurteilung tauchten neue Beweise auf, die schon früher bestehende Zweifel an der Identität des Mannes zu bestätigen schienen. Am 29. Juli 1993 hob das oberste Gericht Israels das Todesurteil auf: Seine Identität habe nicht einwandfrei geklärt werden können.

Demjanjuk kehrte in die USA zurück, wo er als Staatenloser bei seiner Familie in Seven Hills bei Cleveland im Bundesstaat Ohio lebte. Nachdem ein Gutachten des Bayerischen Landeskriminalamtes die Echtheit seines SS-Dienstausweises bestätigt hatte, erließ das Amtsgericht München am 11. März 2009 Haftbefehl gegen Demjanjuk. Zwei Monate später wurde er nach Deutschland ausgewiesen.