Alarmglocken schrillen seit 2006

Seit fast drei Jahren wusste man zumindest im Flughafen um die desaströse Entwicklung des Projekts.
Der Flughafenausbau wurde bereits Ende der 90er geplant. In vier Jahren Bauzeit sollten ursprünglich rund 400 Mio. Euro in den neuen Terminal Skylink investiert werden. Die Fertigstellung war für Juni 2008 geplant. Seither sind Kosten und Zeitplan völlig aus dem Ruder gelaufen - zum guten Teil mit dem Wissen des Vorstandes.

Mittlerweile ist von Kosten von 830 Mio. Euro die Rede, schlimmstenfalls 894 Mio. Euro. Der Skylink-Terminal soll 150.000 Quadratmeter zusätzliche Fläche für Shops, Gastronomie, Lounges, an- und abreisende Passagiere sowie 17 neue Andockstationen für Flugzeuge umfassen.

Fertig wird er nicht mehr vor Ende 2011, eröffnet wohl nicht vor 2012. Mit einem Baustopp für rund ein halbes Jahr - Voraussetzung für einen Ausstieg aus allen bisherigen Verträgen - sollen die Kosten noch gedrückt werden. Im Folgenden eine Chronologie des Skylink-Debakels:

Juni 1999: Der stufenweise Ausbau des Flughafens wird noch ohne konkrete Kostenangaben angekündigt.

März 2000: Die Flughafen Wien AG entscheidet sich für das Projekt von Baumschlager-Eberle/Itten Brechbühl. Es ist etwa doppelt so groß wie das letztlich umgesetzte. Kostenschätzung damals: rund 8,9 Mrd. Schilling oder 654 Mio. Euro.

April 2002: Nach Passagierrückgängen infolge der Terroranschläge vom 11. September 2001 wird das Investitionsprogramm von rund einer Mrd. Euro auf 773 Mio. Euro zurückgenommen.

November 2002: Intern wird erstmals ein konkreter Betrag für Skylink genannt: rund 360 Mio. Euro plus 40 Mio. Euro für "Unvorhergesehenes", insgesamt 401,8 Mio. Euro.

Juni 2004: Der Flughafen Wien kündigt das Projekt Skylink offiziell an. Kostenschätzung in der ersten Stufe: 280 Mio. Euro inklusive 65 Mio. Euro für Gepäcksortieranlage. Als Fertigstellungstermin wird Mitte 2008 angegeben.

Oktober 2004: Der ÖVP-nahe Christian Domany, Ex-Generalsekretär der WKÖ und bis April 2004 auch im Flughafen-Aufsichtsrat, folgt auf Kurt Waniek. Domany ist künftig für das Projekt Skylink zuständig.

Jänner 2005: Die Investitionen für den neuen Terminal werden auf 366 Mio. Euro nach oben revidiert. Es soll nun wieder größer werden.

Oktober 2005: Die Bauarbeiten für die Terminalerweiterung beginnen. Hochtief macht das Rennen (Hauptbaumeister) für den Skylink-Rohbau. Die Eröffnung ist nun für das letzte Quartal 2008 vorgesehen.

Dezember 2005: Laut Sitzungsprotokoll des Lenkungsausschusses berichten die Projektleiter dem Management, dass das "genehmigte Budget" von knapp mehr als 400 Mio. Euro eingehalten werden kann.

Jänner 2006: Grundsteinlegung. Als Baukosten werden weiter 400,2 Mio. Euro angegeben, plus 50 Mio. Euro für die Gepäcksortieranlage, als Fertigstellungstermin Herbst 2008.

April 2006: Laut "profil" wird der Vorstand erstmals mit massiven Verzögerungen konfrontiert, weil das Haustechnik-Planungsbüro Freudensprung Engineering GmbH (FEG) Wochen in Verzug ist. Im Sitzungsprotokoll wird wörtlich festgehalten: "In Bezug auf den Projektstand ist der Stand der Haustechnik bereits terminlich und kostenmäßig kritisch."

Oktober 2006: Die Projektmanager versehen laut Sitzungsprotokollen interne Präsentationen mit einem Ampelsystem, wobei nur Grün für "planmäßig" steht. Bei "Haustechnik", "Kosten" und "Termine" stehen sie auf Gelb-Rot oder Rot.

Auch soll die 40 Mio. Euro schwere "Risikovorsorge" wegen Mehraufwands bei "Honoraren", "Gebäudeausrüstung", "Fassade" und "Innenausbau" so gut wie aufgebraucht sein. Laut einer neuen Hochrechnung soll Skylink nun 419,7 Mio. Euro kosten, die Fertigstellung Ende Oktober 2008 wird als "gefährdet" eingestuft.

November 2006: Im Sitzungsprotokoll heißt es: "Einhaltung des genehmigten Budgets aus derzeitiger Sicht nicht mehr möglich". Neuer Termin für die Inbetriebnahme: 31. März 2009. Und weiter: "Der Vorstand legt abschließend fest, dass nach der nächsten Aufsichtsratssitzung eine Regelung zur Kommunikation des Projektstatus nach außen festgelegt werden muss."

Dezember 2006: Der Terminalrohbau (Gebäude und Dach) ist so gut wie fertig. Mit FEG verkehren Projektverantwortliche mittlerweile per Anwalt.

Jänner 2007: Erstmals ist offiziell von leichten "Verzögerungen" bei Skylink die Rede, es soll nun "im ersten Quartal 2009" in Betrieb gehen.

Februar 2007: Der Aufsichtsrat muss das Skylink-Budget auf Vorstandsantrag auf 425,4 Mio. Euro aufstocken. Die Öffentlichkeit erfährt nichts davon.

Mai 2007: Eine Haustechnik-Arbeitsgemeinschaft hat laut "profil" die Planung von FEG übernommen, der Projektsteuerung Drees & Sommer/FCP wurde das Wiener Ziviltechnikerbüro Vasko + Partner Ingenieure beigestellt. Die dem Vorstand referierten Kosten liegen mittlerweile bei 450 Mio. Euro - ohne "noch nicht bewertbare" Risiken bzw. Kosten.

Juli 2007: Das mit der begleitenden Kontrolle beauftragte Ziviltechnikbüro Spirk & Partner stellt fest, dass sich die Kosten bereits auf ca. 431,9 Mio. ohne Risikovorsorge belaufen und der Zieltermin für die Inbetriebnahme, der 15. Juni 2009, "nach den derzeitigen Erkenntnissen bzgl. Instabilität der Ausführungsplanung kaum noch realisierbar" scheine.

August 2007: Eine "Forcierung" der Bauarbeiten wird besprochen, um den Fertigstellungstermin Juni 2009 halten zu können. Voraussichtliche Mehrkosten: 26 Mio. Euro. Das Management übt laut "profil" erstmals offen Kritik an Projektsteuerung und Architekten.

September 2007: Die Begleitende Kontrolle warnt angesichts von Defiziten in den Bereichen Planung, Koordination und Steuerung neuerlich vor Mehrkosten und Terminverlängerungen. Spirk & Partner schreiben: "Das Änderungsmanagement weist derzeit Mehrkosten von ca. 46,2 Mio. Euro aus."

November 2007: Der Aufsichtsrat billigt eine weitere Skylink-Budgetaufstockung von 425,4 auf nunmehr 512,6 Mio. Euro. Die Öffentlichkeit erfährt auch davon nichts.

Jänner 2008: In einem Memo der Revisoren an den Vorstand wird kritisiert, dass wesentliche Informationen fehlten, um das Kostenrisiko zu beurteilen. Als letzte der Begleitenden Kontrolle bekannte Kostenhochrechnung sind 568 Mio. Euro angegeben.

Mai 2008: Die Flächenvergabe für Handels- und Gastronomieflächen im Skylink sei "abgeschlossen", die Detailplanung mit den Betreibern der 52 Geschäftsflächen soll in den nächsten Monaten beginnen.

Juli 2008: Die Wiener Immobilienentwicklungsgesellschaft und Raiffeisen-Tochter Raiffeisen Evolution wird mit der Gesamtprojektleitung betraut. Intern ist nur noch von einer "Teilinbetriebnahme" im Juni 2009 die Rede. Dem Vorstand werden laut "profil" drei Szenarien präsentiert: Im günstigsten Fall ("Best Case") sei mit Kosten von 571 Mio. Euro zu rechnen, im wahrscheinlichsten ("Real") mit 612 Mio. Euro, im schlimmsten ("Worst Case") gar mit 655 Mio. Euro.

August 2008: Der Flughafen räumt erstmals ein, dass Skylink nicht wie geplant im Juni 2009 eröffnet werden könne, sondern erst schrittweise ab Oktober und nicht 512, sondern 657 Mio. Euro kosten werde. Als Grund werden "vermehrte Behördenauflagen, Optimierung des Konzepts sowie Änderung der Projektorganisation" angegeben sowie höhere Rohstoffpreise.

November 2008: In einem Sitzungsprotokoll heißt es: "Kaufmann ersucht um Bestätigung der Richtigkeit der veranschlagten 657 Mio. Euro und zeigt sich verwundert, dass dieses Szenario vor 14 Tagen noch nicht bekanntgegeben wurde."

Jänner 2009: Der Kostenrahmen von 657 Mio. Euro wird dem Management bestätigt. Von einer Teilinbetriebnahme im Jahr 2009 ist keine Rede mehr. Man spricht nun von "überwiegender Fertigstellung". Christian Eberhard, Raiffeisen-Evolution-Projektleiter, antwortet auf eine entsprechende Frage von Kaufmann, dass Teilbereiche erst im Jahr 2010 fertiggestellt werden können.

18. Februar 2009: Der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) gibt den Wechsel seines Stellvertreters und Landesrats Ernest Gabmann in den Flughafenvorstand bekannt. Er ersetzt per 1. März Domany, der angeblich aus privaten Gründen vorzeitig geht. Sein Vertrag läuft erst im September aus.

20. Februar 2009: Memo an das Management: "Die BK stellt ... fest, dass die im Erläuterungsbericht zur letztgültigen Kostenverfolgung angeführten höchsten Risiken (Planungs-/Ausführungszeiträume) schlagend werden."

2. März: Gabmann beauftragt das Ziviltechnikerbüro Gobiet & Partner mit einer neuen Kostenevaluierung bei Skylink.

13. März 2009: Norbert Steiner wird zum neuen Skylink-Projektleiter ernannt - er ist bereits der dritte. Steiner war bis 1999 Vorstand der NÖ-Planungsgesellschaft für das Regierungsviertel in St. Pölten.

25. März 2009: Der Aufsichtsrat verlängert die Verträge von Kaufmann, Schmid und Gabmann einstimmig bis zum 30. September 2014.

26. März 2009: Bei Vorlage der Bilanz 2008 räumt Neo-Vorstand Gabmann ein, dass Skylink nicht mehr 2009 in Betrieb genommen werden kann. Eine Kostenexplosion auf fast eine Mrd. Euro wird weiter bestritten.

22. April 2009: Das Management räumt erstmals eine "Unterschätzung" der Kosten ein. Skylink werde nicht 657, sondern bis zu 830 Mio. kosten - plus 64 Mio. Euro für "nicht abwägbare Risiken". Gabmann ordnet eine teilweise Bauunterbrechung an. Als neuer Termin für die Fertigstellung wird mittlerweile Dezember 2011 angegeben, für die Eröffnung Anfang 2012.

28. Mai 2009: Der Grazer Gesellschaftsrechtler Waldemar Jud wird für ein Gutachten zur Organverantwortung beim Terminalbau beauftragt.

30. Juni 2009: Der Flughafen verhängt einen vollständigen Baustopp auf der Skylink-Baustelle. Das ist die Voraussetzung, um aus allen Verträgen auszusteigen. Bis September sollen mit den Firmen neue Konditionen verhandelt oder neu ausgeschrieben werden.

9. Juli 2009: Der Rechnungshof kommt zu dem Schluss, dass durch den Syndikatsvertrag zwischen Niederösterreich und Wien eine Beherrschung der Flughafen Wien AG vorliegt und er daher seine Prüfer nach Schwechat schicken kann. Der Flughafen will das prüfen.