"McNamaras Krieg"

McNamara wollte kommenden Generationen sagen, warum er mit dem Krieg in Vietnam so falsch gelegen war.
Im Alter von 93 Jahren ist am Montag der frühere US-Verteidigungsminister Robert S. McNamara gestorben. McNamara sei in den frühen Morgenstunden in seinem Haus in Washington im Schlaf gestorben, berichtete die "Washington Post" unter Berufung auf die Familie.

McNamara war von 1961 bis 1968 Verteidigungsminister und gilt als einer der Architekten des Vietnam-Kriegs, den er später bedauerte. Seine Biografie spiegelt das US-amerikanische Selbstverständnis im Verlauf der letzten 70 Jahre wider wie kaum eine zweite.

Das "Whiz Kid" von Ford
McNamara war erst 44 Jahre alt, als ihm der frisch gewählte demokratische Präsident John F. Kennedy 1961 das Amt des Verteidigungsministers anbot. Zuvor hatte sich McNamara vor allem als Manager des traditionsreichen Autokonzerns Ford einen Namen gemacht.

Mit einem jungen Team, den "Whiz Kids", krempelte er den Konzern um, machte schnell Karriere und wurde 1960 als erstes Nichtmitglied der Ford-Familie Präsident des Konzerns. Seinen hohen Wirtschaftsposten verließ er nach nur einem Monat, um Kennedys Ruf in die Politik zu folgen.

Hardliner im Pentagon
Als Chef des Pentagon galt McNamara als Hardliner, der den Einsatz der USA in Vietnam maßgeblich plante und vorantrieb. Waren bei seinem Amtsantritt nur einige hundert US-Militärangehörige als Berater für Südvietnam im Einsatz, so waren es 1964 bereits 17.000.

Mit dem Krieg identifiziert
Von "McNamaras Krieg" sprach im selben Jahr der demokratische Senator Wayne Morse, wie die "New York Times" in ihrem historisch umfassenden, spannenden Nachruf schreibt.

Dieser habe nicht widersprochen: "Es gefällt mir, mit diesem Krieg identifiziert zu werden - und ich werde alles tun, was möglich ist, um ihn zu gewinnen." Dass "alles" nicht genug war, musste schließlich auch McNamara selbst einsehen.

Zunehmend kamen ihm Zweifel, ob der Krieg mit flächendeckenden Bombenangriffen und immer mehr US-Soldaten überhaupt gewonnen werden konnte. Anfang 1968 trat er nach heftigen Auseinandersetzungen mit Präsident Lyndon B. Johnson und hohen Militärvertretern zurück. In diesem Jahr waren 535.000 US-Soldaten im Kampfeinsatz.

"Wir haben uns furchtbar geirrt"
In seinem 1995 veröffentlichten, viel beachteten Rückblick "Vietnam. Das Trauma einer Weltmacht" bezeichnete McNamara den Krieg als großen Fehler und bedauerte Fehleinschätzungen - eigene wie die anderer Regierungsmitglieder: "Wir haben uns furchtbar geirrt."

Die Regierung habe nicht begriffen, dass die von ihr verfolgte Strategie nicht ihren Zielen diente. Bis zum Ende des Kriegs 1975 starben 58.000 US-Soldaten, mehr als drei Millionen Nord- und Südvietnamesen sowie etwa eineinhalb Millionen Laoten und Kambodschaner.

An Tabu gerührt
McNamara sah es als seine Pflicht an, kommenden Generationen zu erklären, wie es zu dem Desaster des Vietnam-Kriegs kommen konnte. Im Nachhinein schien es ihm unbegreiflich, wie er und andere maßgebliche Politiker es als entscheidend für die USA ansehen konnten, einen Dschungelkrieg im Fernen Osten zu führen.

Während Mitte der 90er Jahre sein Vietnam-Buch weltweit wochenlang die Bestsellerlisten anführte, wurde es zwar in den USA ebenfalls mit großem Interesse aufgenommen - aber McNamara hatte dennoch merklich an einem Tabu gerührt.

Wenig später, unter Präsident George W. Bush, hatte sich nach Jahren des kräftezehrenden Kriegs im Irak das Blatt in der Öffentlichkeit gewendet. Nun war McNamara mit seiner scharfen Kritik am Einsatz der USA wieder in der Mitte der Gesellschaft angelangt. Der Wahlsieg Barack Obamas gab auch ihm recht.

Biografisches
McNamara wurde am 9. Juni 1916 in Oakland in Kalifornien geboren und studierte an der renommierten Universität von Kalifornien in Berkeley Wirtschaft, Mathematik und Philosophie.

Er schrieb zahlreiche Bücher, hauptsächlich zu den Themen Verteidigung und Entwicklung. Vor fünf Jahren heiratete er in Italien im Alter von 88 Jahren zum zweiten Mal. Zur Todesursache McNamaras machte die Familie keine Angaben.

Buchhinweis
Robert S. McNamara: Vietnam. Das Trauma einer Weltmacht. Hoffmann und Campe, 508 Seiten, gebraucht etwa über Amazon zu beziehen.

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