Das Ende in der Salpetriere

Foucaults Arbeiten sorgten stets für Kontroversen. Bis heute hat er seinen Status als Modephilosoph nicht verloren.
Vor 25 Jahren, am 25. Juni 1984, ist der französische Philosoph und Historiker Michel Foucault an Aids gestorben. Er befand sich zu diesem Zeitpunkt in jenem Pariser Krankenhaus, das ihm in seiner berühmten Studie "Wahnsinn und Gesellschaft" als Untersuchungsobjekt diente, dem Hopital de la Salpetriere.

Das Krankenhaus war im 19. Jahrhundert die bekannteste psychiatrische Anstalt Europas, in der Verrückte, Wahnsinnige, gescheiterte Selbstmörder, Prostituierte und Geschlechtskranke eingesperrt wurden.

Kampf gegen die Macht der Vernunft
In seinen Werken kritisierte Foucault die Tradition des europäischen Rationalismus. Er warf dieser Denktradition vor, eine Geschichte der Ausschließungen produziert zu haben, wie sie etwa in der Unterscheidung von Vernunft und Wahnsinn zum Ausdruck kommt.

"Die Vernunft ist eine blutige Macht": Dieses Schlagwort könnte man auch als - etwas harsche - Beschreibung der Arbeiten Foucaults heranziehen.

Foucaults Archäologie
Foucault, erzogen ganz in der Tradition des französischen Universitätswesens, war ein Grenzgänger zwischen den Disziplinen. In seinen wichtigsten Schriften wie "Archäologie des Wissens", "Wahnsinn und Gesellschaft", "Überwachen und Strafen" und "Sexualität und Wahrheit" ging es ihm darum, erstarrte wissenschaftliche Lehrmeinungen Schicht für Schicht freizulegen.

"In unserer Zeit kann man nur noch in der Leere des verschwundenen Menschen denken", postulierte Foucault. Der Mensch würde "verschwinden wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand". Diese Vorstellung von Foucault zeichnete jahrzehntelang seine Rezeption aus - und brachte ihm, gerade im deutschsprachigen Raum, nicht nur Freunde ein.

Geschichte ohne Ziel
Für Foucault hatte die Geschichte der Zivilisation weder einen Ursprung noch ein Ziel, sondern war das schlichte Ergebnis übergeordneter Regelmäßigkeiten.

Seine ganz eigene Art, Bewusstsein, Ideologien, gesellschaftliche Einrichtungen und Einstellungen als sprachähnliche Regelwerke darzustellen, ließ ihn zu einem der wichtigsten Vertreter des Strukturalismus werden, auch wenn sich Foucault einer solchen Etikettierung stets entzog.

Seine Arbeiten, in denen er das Entstehen von Macht untersucht und Schulen, Kasernen und Krankenhäuser mit Gefängnissen vergleicht, sorgten stets für Kontroversen.

Vom Hafen aufs offene Meer
Für den französischen Philosophen Gilles Deleuze entbehrten Foucaults Arbeiten jeglicher Logik. Sie seien wie eine Serie von Windstößen und Erschütterungen. "Man glaubt sich im Hafen, und man findet sich aufs offene Meer zurückgeworfen", sagte Deleuze. Als "vollendeten Historiker" hingegen bezeichnete ihn der Historiker Paul Veyne.

Foucault starb an Aids. Er hatte alle eindringlichen Warnungen ignoriert und sich bewusst der tödlichen Gefahr seiner sadomasochistischen Leidenschaften ausgesetzt.

Er suchte im Tod eine Grenzerfahrung - und das nicht zum ersten Mal. Bereits als 21-Jähriger unternahm er einen ersten Selbstmordversuch, als Schüler soll sich der Sohn eines Arztes mit dem Rasiermesser die Brust aufgeschlitzt haben.

Schmerz, Lust, Qual und Begierde faszinierten Foucault und dienten als Rauschmittel gegen die "Ordnung der Dinge", wie ein berühmter Buchtitel von ihm in der deutschen Übersetzung heißt. Mit sadomasochistischen Instrumenten könne man ein neues "Selbst" erfinden.

Ein Jahr vor seinem Tod soll Foucault noch einmal in San Francisco in einem Darkroom gewesen sein. Damals wusste er wohl um seine Krankheit. Öffentlich thematisieren konnte sie dieser Brecher wissenschaftlicher Tabus trotzdem nicht.

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