"Gesetz basierend auf Rache"

Die Straftäter leben oft jahrelang unter der Brücke - ohne Aussicht auf Rehabilitation.
Seit 1995 werden alle Sexualstraftäter in den USA auch nach Verbüßen ihrer Strafe ihren Aufenthaltsort in öffentlich einsehbaren Registern angeben. Eine neuerliche Verschärfung der Bestimmungen hat in Städten wie Miami zu erheblichen Problemen geführt.

©Bild: Reuters/Carlos Barria
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Seit der Ermordung der neunjährigen Jessica Lunsford 2005 wurden in Florida zusätzlich Bannmeilen um Schulen, Parkanlagen und Kindereinrichtungen gezogen. Sexualstraftäter dürfen nicht näher als 760 Meter an diesen Orten wohnen. Der einzige Platz, der in der Millionenmetropole Miami diesen Vorgaben entspricht, ist eine Autobahnbrücke am Ufer der Biscayne Bay.

Brücke als Wohnadresse
©Bild: Reuters/Carlos Barria
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Rund 70 vorbestrafte Sexualstraftäter leben zurzeit in einer Zeltstadt unter der stark befahrenen Julia-Tuttle-Brücke, gegenüber dem mondänen Miami Beach. Einige von ihnen sind dort bereits so lange, dass auf ihren Führerscheinen die Brücke als Wohnadresse vermerkt ist.

©Bild: Reuters/Carlos Barria
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"Hier leben Menschen mit psychischen und physischen Problemen in einer Umgebung, wo sie aufgrund des Straßenlärms nicht schlafen können, es nach Urin stinkt und sich der Abfall rundherum auftürmt", sagte Pedro Jose Greer, Professor für Gesundheit und Gesellschaft an der Universität von Florida, gegenüber der britischen BBC.

"Das dümmste Gesetz"
Greer beschäftigt sich seit Jahren mit den Problemen von Obdachlosen, aber die Situation dieser Männer macht ihn besonders ärgerlich: "Das ist das dümmste Gesetz, das ich jemals gesehen habe. Es basiert nur auf Rache ohne Rücksicht auf das Wohlergehen dieser Menschen."

Vor allem die Tatsache, dass hier Männer, die ihre Strafen bereits verbüßt haben, praktisch abgeschoben würden, frustriert Greer. "Hier dürfen Menschen, die die ungeheuerlichsten Dinge getan haben, ohne Betreuung zusammenleben und sich frei in der Gesellschaft bewegen", ärgert sich Greer. Eine Eingliederung in die Gesellschaft werde so verhindert.

Verschärfung nach Lunsford-Fall 2005
Die Situation hatte sich zugespitzt, als 2005 die neunjährige Jessica Lunsford entführt, vergewaltigt und getötet wurde. Ihr Mörder war ein verurteilter Pädophiler, der nicht gemeldet hatte, dass er gegenüber der Familie eingezogen war. Nach seiner Flucht wurde fast einen Monat nach ihm gefahndet.

Nun müssen alle Straftäter in Florida, aber auch in anderen Bundesstaaten ihren aktuellen Wohnort den Behörden melden. Diese überprüfen, dass sich in der Nähe keine Einrichtungen mit Kindern befinden. Die Bannmeile liegt im Ermessen der Stadtbehörden und kann zwischen 450 Meter und - wie in Miami - bis zu 760 Meter betragen.

Mit Name und Bild im Internet
Jeder kann über Websites überprüfen, ob ein verurteilter Sexualverbrecher in der Nachbarschaft wohnt. Unter der Adresse Familywatchdog.us sind alle Straftäter mit Bild, Beschreibung, Straftat und Wohnadresse aufgelistet.

Leben "wie ein Tier"
Unter ihnen ist auch ein 35-jähriger Ex-Marinesoldat. Er war fünf Jahre im Gefängnis, weil er eine sexuelle Beziehung mit einer 16-Jährigen hatte. Vor zwei Jahren wurde er von den Behörden unter der Brücke abgeliefert, wie er gegenüber der BBC sagte. Hier lebt er "wie ein Tier" ohne fließendes Wasser, ohne Toiletten und ohne Elektrizität.

Aufgrund der gesetzlichen Lage kann er nicht zu seiner Frau und seinem Kind zurückkehren. "Ich würde gerne wieder ein normales Leben führen, aber die Gesellschaft gibt uns nicht die Möglichkeit", beklagt er.

Warten auf politische Entscheidungen
Seit Anfang des Monats ist die Zeltstadt auch ein politisches Thema - aber anders als Hilfsorganisationen und Menschen wie Greer gehofft haben.

Marc Sarnoff, Beauftragter der Stadt Miami, hat Gouverneur Charlie Crist in einem Brief gebeten, die Zeltstadt zu schließen. Als Grund gab er an, dass sich eine kleine Insel, die von Familien gerne als Ausflugsziel genützt wird, innerhalb der Bannmeile befindet.

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