Sozialkritik trotz Zensur

Waldmüller zeigte neben der Idylle des Biedermeier auch die Schattenseiten des Lebens.
Detailliert gezeichnete Porträts, das scheinbar leichte Spiel zwischen Nähe und Ferne in der Landschaftsmalerei und täuschend echte Stillleben zeichnen die Werke des österreichischen Malers Ferdinand Georg Waldmüller aus.

Der malerische Realismus ist bei Waldmüller an einem Höhepunkt angelangt. Oft wird er aufgrund seiner Arbeiten als Darsteller von idyllischen Biedermeier-Szenen missverstanden.

Klischees "aufbrechen"
Waldmüller sei aber weit mehr als nur ein "Biedermeier-Maler" im 19. Jahrhundert, betont Sabine Grabner. Sie ist Kuratorin der am Dienstag startenden, umfassenden Waldmüller-Schau, die im Wiener Belvedere noch bis Oktober zu sehen ist. "Waldmüller hat das Problem, dass er in der klischeehaften Ecke gelandet ist."

Grabner sieht den 1793 in Wien geborenen Maler als "einen der Vorreiter des Realismus". Die Ausstellung, die in Kooperation mit dem Pariser Louvre entstand, soll die Einschätzung des "Klischeehaften, Idyllischen, vermeintlich Herzigen aufbrechen". Bis Mai war ein kleinerer Teil der Ausstellung in Paris zu sehen - die erste Einzelausstellung Waldmüllers in Frankreich.

In Wien werden 115 Bilder gezeigt. Der Großteil stammt aus dem Eigenbestand des Belvedere. Erstmals werden auch einige verschollen geglaubte Gemälde präsentiert.

Naturstudium statt Meisterkopien
Waldmüller versuchte, seine Porträts, Landschafts- und Alltagsszenen so realistisch wie möglich darzustellen. Ansehen erreichte er dadurch außerhalb Österreichs vor allem in Deutschland und Großbritannien.

Benerkenswert waren vor allem die feinen Stoffdetails bei den Porträts und die Darstellung von Tageslicht und Sonne in den Landschaftsbildern. Zeit seines Lebens trat er für das Naturstudium und die Freilichtmalerei ein. Das stieß nicht immer auf Zustimmung. Denn damit stellte er sich gegen die damalige akademische Maltradition, alte Meister zu kopieren.

Spiele mit Licht und Schatten
Der 1865 in Hinterbrühl in Niederösterreich verstorbene Maler schaffte es, durch seine Studien in der Natur das natürliche Licht zu verstärken und als fast unwirklich wirkende Licht-und-Schatten-Spiele in seine Bilder einzubauen.

Das Malen unter freiem Himmel war Waldmüller ein Anliegen. Bei dem Gemälde "Die unterbrochene Wallfahrt" von 1853 gelang es ihm besonders, eine extreme Lichtsituation einzufangen und wiederzugeben. Zu den Höhepunkten dabei zählen auch die sizilianischen Tempellandschaften. Ab seinem 32. Lebensjahr verbrachte Waldmüller seine Sommer meistens in Italien.

Kritisch trotz Zensur
Abseits des Biedermeier-Idylls nahm der Maler vor allem bei der Schilderung des Bauernalltags eine sozialkritische Haltung ein. Noch während der Zensur, vor dem Revolutionsjahr 1848, rückte er Armut und einzelne Schicksalsschläge in das Zentrum seiner Bilder. Später thematisierte er auch Kinderarbeit und Delogierungen.

Abseits vom Kitsch
Neben dem bekannten "Selbstporträt in jungen Jahren" (1828), das als eine Ikone der Malerei des 19. Jahrhunderts gilt, gibt es auch ein nachdenklicheres "Selbstporträt vor der Staffelei", das zwei Jahrzehnte später entstand und zu den zahlreichen Bildern passt, die mit Waldmüllers Klischee-Idylle nicht zu vereinbaren sind.

Auch die Retrospektive ist von Kontrasten geprägt. Auf der einen Seite hängen drei Versionen des "Mutterglücks", das in Kitsch-Nähe angesiedelt und offenbar stark nachgefragt war - das Sujet musste Waldmüller zehnfach malen. Im selben Raum auf der anderen Seite ist allerdings auch das Gemälde "Erschöpfte Kraft" zu sehen: In einem einfachen Zimmer schläft im Kerzenschein ein Kind. Im Dunkel daneben auf dem Fußboden liegt die erschöpft schlafende Mutter, die es offenbar nicht mehr ins eigene Bett geschafft hat.

Arbeit wird Thema der Malerei
Mit diesem Bild im Kopf sieht man auch die zahlreichen weiteren Genrebilder, die sich dem bäuerlichen Leben oder dem Arbeitsalltag widmen, mit anderen Augen. "Er hat die Schattenseiten des Lebens aufgezeigt", sagt Kuratorin Grabner. "Das Thema Arbeit hat es bis dahin in der österreichischen Malerei nicht gegeben."

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