Der Einsatz sei Mitte der Woche wegen zu hoher Risiken für die als Geiseln festgehaltene Schiffsmannschaft abgesagt worden, berichtete die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf das Umfeld der GSG9. Dazu kam noch ein handfester Streit in der deutschen Regierung.
200 Mann im Einsatz
Der Einsatz hätte das Leben der 24 Geiseln, darunter fünf Deutsche, gefährdet, hieß es. Offenbar hatte sich die GSG9 verschätzt: Die Piraten an Bord der "Hansa Stavanger" hätten die Wachen verdoppelt und jede Schiffsbewegung vor der Küste beobachtet, wurde eingeräumt.
Laut dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" waren 200 deutsche Elitepolizisten mit Hubschraubern, Schnellbooten und Hightech-Waffen heimlich bis auf 80 Kilometer an das entführte Schiff herangebracht worden. Nun soll die Einheit unverrichteter Dinge wieder heimkehren.
Polizeigewerkschaft bestätigt Angaben
Während die deutsche Regierung erklärte, man gebe grundsätzlich keine Erklärungen "zu operativen Dingen" ab, bestätigte der deutsche Polizeigewerkschaftschef Konrad Freiberg am Sonntag unter Berufung auf Polizeikreise, dass die GSG9-Operation gestoppt worden sei.
USA stoppten Aktion
Offenbar stoppten die USA die Aktion. Sie hatten demnach ihren Hubschrauberträger "USS Boxer" dafür zur Verfügung gestellt, Mitte der Woche aber laut "Spiegel" einen Rückzieher gemacht, weil sie nichts mit dem "Himmelfahrtskommando" zu tun haben wollten.
Im Hintergrund stand offenbar ein Streit zwischen dem deutschen Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der auch Kanzlerkandidat seiner Partei bei der deutschen Bundestagswahl am 27. September ist.
Schäuble gegen Steinmeier
Sowohl Schäuble als auch Steinmeier wollten laut den Medienberichten wahlkampfwirksam zeigen, dass Deutschland Schiffe auch anders befreien kann als durch die Zahlung von Lösegeld an die Piraten. Als Steinmeier schließlich vorpreschte, stoppte ihn Schäuble.
Laut "Spiegel" gab es während der dreiwöchigen Planungen des Einsatzes mehrfach Streit zwischen den Ministerien. So habe das Auswärtige Amt dem Innenministerium vorgeworfen, Washington grundlos eingebunden und sich so "in Abhängigkeit" begeben zu haben.
Schäuble als "Petze"
Dass Schäubles Ministerium die Informationen über den Einsatz an die USA weiterleitete, war jedenfalls der Grund für das Veto aus Washington - und damit wieder der Anlass für Schäuble, die ganze Aktion abzublasen, schreibt das Nachrichtenmagazin "Focus".
Bereits vor drei Wochen hatte die GSG9 laut Medienberichten eine erste Befreiungsaktion versucht. Sie verlief aber erfolglos, weil die Seeräuber das gekaperte Schiff zu schnell in ihren Schlupfwinkel in einer Bucht an der somalischen Küste bringen konnten.
Opposition wird hellhörig
Aus dem erhofften politischen Erfolg droht nun eine politische Pleite zu werden. Die Grünen kündigten eine Dringliche Anfrage zu der Causa im Bundestag an. Auch FDP-Verteidigungsexperte Rainer Stinner forderte Aufklärung über das "Kompetenzgerangel auf dem Rücken der Geiseln".
Beweis für grundsätzliches Problem?
Laut dem "Spiegel" offenbart der Fall grundsätzliche Mängel in der deutschen Sicherheitsarchitektur. Zwar trainiere die GSG9 "permanent Einsätze auf Schiffen", aber es gebe keine Logistik für einen schnellen Einsatz außerhalb der deutschen Grenzen.
Das militärische Gerät habe erst in einer komplizierten Aktion über Kenia eingeschleust werden müssen, so das Magazin. Dann habe sich Deutschland Flugzeuge und danach den US-Hubschrauberträger leihen müssen, um die GSG9 überhaupt zum Einsatzgebiet zu bringen.
Finanzielles Debakel
Nicht zuletzt war die abgeblasene Aktion ein finanzielles Debakel. Laut Medienberichten fordern die Piraten für die "Hansa Stavanger" sechs Millionen Dollar (4,5 Mio. Euro), die Reederei bietet ein Zehntel davon. Man hätte sich vermutlich "in der Mitte treffen" können.
Die über drei Wochen laufende Geheimaktion wiederum habe die deutschen Steuerzahler mehrere Millionen gekostet, rechnet der "Spiegel" vor - und damit mehr als alle Lösegeldzahlungen der vergangenen Jahre zusammen.
Links: