Planer Negrelli wurde beinahe vergessen

Negrelli starb kurz vor Baubeginn - seine Leistung wurde beinahe vergessen.
Die Leistung des österreichischen Ingenieurs und Verkehrspioniers Alois Negrelli als Planer des Sueskanals wäre fast in Vergessenheit geraten.

Negrelli starb vor mehr als 150 Jahren, am 1. Oktober 1858, rund ein halbes Jahr vor Baubeginn des Durchstichs zwischen Mittelmeer und Rotem Meer. Die Lorbeeren für die Leistung heimste der französische Diplomat und Ingenieur Ferdinand de Lesseps ein.

Frühe Begabung für Mathematik
Nicolaus Alois Maria Vincenz von Negrelli wurde am 23. Jänner 1799 in Fiera di Primiero (im heutigen Trentino) geboren. Bereits als Schüler zeigte sich seine besondere Begabung für Mathematik und Physik. Als Praktikant der kaiserlichen Baudirektion für Tirol und Vorarlberg (seit 1818) erwarb er Erfahrungen bei der Regulierung von Flüssen sowie im Straßenbau.

Von Eisenbahn fasziniert
Seine Faszination für das neue Verkehrsmittel Eisenbahn veranlasste Negrelli zum Studium von Bahnprojekten in England und Frankreich. Ab 1832 konnte er seine Studien praktisch umsetzen, so baute er die Münsterbrücke in Zürich und die erste Schweizer Bahnlinie (Zürich - Baden - Basel).

Später, ab 1840, baute er in Österreich Teile der Nordbahn (die Strecke Brünn - Olmütz), war aber auch am Bau der Westbahn Wien - Salzburg sowie an Bahnprojekten in Württemberg und Sachsen beteiligt.

Für nördliches Bahnnetz verantwortlich
Nachdem 1842 die Generaldirektion der Staatseisenbahnen in Österreich geschaffen worden war, übernahm Negrelli die technische Leitung für das nördliche, Karl von Ghega, der spätere Erbauer der Semmeringbahn, für das südliche Bahnnetz der Monarchie.

1849 wurde Negrelli Direktor der Oberbaubehörde in dem damals zu Österreich gehörenden Königreich Lombardei-Venetien. Dort hatte er schon 1846 ein spektakuläres Bahnprojekt verwirklicht: die rund 3,6 Kilometer lange Eisenbahnbrücke über die Lagune nach Venedig hinein.

1856 wurde Negrelli Generalinspektor aller österreichischen Eisenbahnen. In all den Jahren hatte er sich intensiv mit dem Sueskanalprojekt beschäftigt.

Kanal schon in Pharaonenzeit
Schon der altägyptische Pharao Necho II. (610 bis 595 v. Chr.) hatte einen Kanal von einem Mündungsarm des Nil zum Roten Meer begonnen, der vom Perserkönig Darius um 490 v. Chr. vollendet wurde, aber im achten nachchristlichen Jahrhundert verfiel.

Erst G. W. Leibniz und Napoleon Bonaparte griffen den Gedanken einer Verbindung zwischen Mittelmeer und Rotem Meer wieder auf. Der große deutsche Forschungsreisende Alexander von Humboldt bewog Negrelli, sich dem Sueskanalprojekt zu widmen.

Generalinspektor für Kanalbauten
1846 entsandte Negrelli Ingenieure in die Region Sues, um erste Messungen durchzuführen. Nach Überwindung des Misstrauens des damaligen ägyptischen Herrschers Mehmet Ali entstand daraus ein erster Projektentwurf. 1857 wurde der Ingenieur vom ägyptischen Khediven (Vizekönig) Said Pascha zum Generalinspektor aller ägyptischen Kanalbauten ernannt.

Überraschender Tod
1858 erlag Negrelli überraschend einem Nierenleiden, und damit schlug die große Stunde De Lesseps'. Er erhielt die Konzession für den Bau des Sueskanals, mit dem am 25. April 1859 begonnen wurde.

Die Unterlagen dafür hatte er sich von der Witwe Negrellis aus dessen Nachlass gegen den vergleichsweise geringen Betrag von 20.000 Gulden verschafft. De Lesseps vermied künftig Diskussionen über die Baupläne, so dass der Name Negrellis in Vergessenheit geriet.

"Aida" nicht bei der Eröffnung
Unter Einsatz Zehntausender Arbeiter wurde der Sueskanal 1869 fertiggestellt. Zwischen 16. und 20. November 1869 wurde der Kanal mit großem Pomp und in Anwesenheit hoher Ehrengäste - darunter Kaiser Franz Joseph von Österreich - seiner Bestimmung übergeben.

Giuseppe Verdi hatte für die Eröffnung die Oper "Aida" komponiert, sie wurde aber erst am 24. Dezember 1871 in Kairo uraufgeführt. Kaiser Franz Josef war nicht zuletzt deshalb angereist, damit der Name Negrelli in Zusammenhang mit dem Bau des Sueskanals nicht ganz vergessen wurde.

Harald Krachler, APA