Des Königs neues Wesen

Heinrich VIII. bestieg vor 500 Jahren den Thron.
Er war sechsmal verheiratet und hat zwei seiner Frauen enthaupten lassen. Er legte sich mit dem Papst an. Er konnte gar nicht genug bekommen von gutem Essen, Turnierkämpfen und dem anderen Geschlecht: Der Tudor-König Heinrich VIII. liefert auch 500 Jahre nach seiner Inthronisation noch reichlich Stoff für Legenden und Spekulationen.

Für die einen war Heinrich ein in vielen Dingen begabter, gutaussehender und umgänglicher Mann, der England vom Mittelalter in die Neuzeit führte. Für die anderen war er ein fettleibiger Paranoiker, ein skrupel- und zügelloser Tyrann und Frauenmörder.

Ein ereignisreiches Jahr
Pünktlich zum 500-Jahr-Jubiläum der Inthronisation am 21. April 1509 will eine britische Historikerin herausgefunden haben, dass der legendäre Herrscher beides war - und dass ganz konkrete Ereignisse im Jahr 1536 zu einem massiven Persönlichkeitswechsel führten.

"Bei der Betrachtung seiner Biografie war mir zuvor nie aufgefallen, dass so viele Ereignisse sich in einem Jahr zutrugen", sagte Suzannah Lipscomb der "Times". Diese Beobachtung sei noch nie zuvor wissenschaftlich aufgearbeitet worden. Lipscomb ist sich jedoch sicher, dass der König dadurch ein anderer Mensch geworden sei.

Viele Talente
Zuvor hatte er noch als ein Mann vieler Talente gegolten. Er war ein großartiger Reiter, guter Musiker und geschickter Taktierer im Umgang mit den internationalen Größen seiner Zeit und mit dem Parlament im eigenen Land.

In der Theologie kannte er sich gut aus. Seine Schrift gegen Martin Luther brachte ihm vom Papst noch den Titel "Verteidiger des Glaubens" ein.

Schwerer Unfall
Heinrich erlitt 1536 im Alter von 45 Jahren einen schweren Reitunfall, seine Ehefrau Anne Boleyn hatte eine Fehlgeburt, Gerüchte über ihre außerehelichen Affären machten die Runde, sein geliebter unehelicher Sohn starb, und seine Untertanen rebellierten. All diese Ereignisse hätten eine Midlife-Crisis ausgelöst, von der sich der Monarch nie wieder erholte, heißt es in der "Times".

Vom Pferd gestoßen
Der Unfall ereignete sich am 24. Jänner 1536 bei einem Lanzenstechen in Greenwich. Heinrichs Gegner stieß den mit voller Rüstung ausgestatteten König vom Pferd, das ebenfalls gepanzerte Tier stürzte auf ihn, und er verlor für zwei Stunden das Bewusstsein.

Laut Lipscomb war der Unfall der Auslöser für Heinrichs Gesundheitsprobleme, für Geschwüre an den Beinen, für seine Fettleibigkeit - und letztendlich für die Bösartigkeit und die Paranoia, mit der er im Gedächtnis geblieben ist.

Scheidung von Katharina von Aragon
Auch andere Historiker sprechen von einer auffälligen Veränderung in Heinrichs Persönlichkeit, setzen diese aber früher und über einen längeren Zeitraum an.

Das bis heute bestimmende biografische Ereignis, die Scheidung von Katharina von Aragon, betrieb er bereits ab 1529; der Konflikt mit dem Vatikan, der dieser Scheidung nicht zustimmen wollte, zog sich über die folgenden Jahre und kulminierte 1534 in der Gründung der anglikanischen Kirche.

Charles bei Benedikt
In diesem Zusammenhang besonders pikant: Nächste Woche wird Prinz Charles, der als britischer Thronfolger auch der nächste Kopf der Kirche von England sein wird, Papst Benedikt XVI. besuchen. Bei der Audienz in Rom soll erstmals auch Charles' zweite Ehefrau Camilla zugegen sein.

Der Vatikan, der 500 Jahre nach Heinrich VIII. nach wie vor gegen die Scheidung ist, wird dem Ehepaar bei dieser Gelegenheit einen luxuriösen Nachdruck jenes Schreibens überreichen, mit dem 1530 englische Kirchenleute bei Papst Clemens VII. um eine Annullierung der Ehe mit Katharina baten.

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