"Patriot" als "Kollaborateur"

Schulmeister soll für seine Dienste kein Geld bekommen haben.
Nach dem Fall Zilk ist erneut der Name eines bekannten österreichischen Journalisten in den Akten ausländischer Geheimdienste aufgetaucht. Wie das Nachrichtenmagazin "profil" berichtet, soll der ehemalige "Presse"-Chefredakteur Otto Schulmeister für den US-Geheimdienst CIA gearbeitet haben.

Laut dem Magazin vorliegenden CIA-Akten hatte Schulmeister, dessen journalistische Karriere vor dem Zweiten Weltkrieg bei der deutschen NS-Wirtschaftszeitung "Südost-Echo" begann und nach seiner Entlassung aus britischer Kriegsgefangenschaft 1946 ihre Fortsetzung bei der "Wochenpresse" und später der "Presse" fand, in den 60er Jahren der CIA zugearbeitet.

Schulmeister habe "seine Leitartikel fallweise argumentativ nach den Wünschen der CIA ausgerichtet, Geschichten unterdrückt, wenn sie dem US-Standpunkt schadeten, und Informationen aus Hintergrundgesprächen mit österreichischen Politikern und Ostblock-Botschaftern preisgegeben", so das "profil" in einer Vorausmeldung am Samstag.

Deckname "GRCAMERA"
Die entsprechenden Unterlagen seien nach den Bestimmungen des "Nazi War Crimes Disclosure Act" 2006 freigegeben worden. Am 19. Juni 1962 wurde Schulmeister demzufolge von der CIA der Deckname "GRCAMERA" zugewiesen.

Von da an seien bei Bedarf CIA-Anweisungen, wie bestimmte politische Situationen einzuschätzen seien, direkt an Schulmeister gegangen. Am 3. April 1964 berichtete die CIA über den Stand der Zusammenarbeit, die inhaltliche Ausrichtung der "Presse" lasse "kaum zu wünschen übrig". Nur deren USA-Korrespondentin verursache "kleinere Irritationen".

"Das bedeutet nicht, dass Schulmeister unser Agent ist (...), doch wir können ihn führen, gerade so, als wäre er unser Agent", zitiert das Magazin aus dem Geheimdienstakt. Die "Presse" hatte insbesondere das militärische Engagement der USA in Vietnam unterstützt.

Namen weiterer Journalisten aufgelistet
1968 habe die CIA Schulmeister als "Kollaborateur" eingestuft. "Von unserer offiziellen Beziehung wissen auch einige seiner Kollegen (...) Sie wissen nicht, dass sich dahinter ein operativer Kontakt verbirgt", heißt es dazu in den Unterlagen.

In den Schulmeister-Akten sind laut "profil" auch CIA-Kontakte zum ORF, zum "Kurier", den "Salzburger Nachrichten" und der "Wochenpresse" angeführt. Die Namen der Journalisten seien unkenntlich gemacht.

150 Dollar für Geschenke
Schulmeister, nach seinem Tod 2001 vom damaligen Bundespräsidenten Thomas Klestil als "großer Patriot" und "publizistisches Gewissen einer ganzen Generation" gewürdigt, sei für seine Dienste nicht bezahlt worden, so das "profil".

Die CIA habe 150 Dollar pro Jahr für "Einladungen und Geschenke" projektiert. In den 70er Jahren habe sich Schulmeister dann von der CIA zurückgezogen. Grund laut "profil": "Die Entspannungspolitik zwischen Ost und West wollte er nicht mehr mittragen." Von 1961 bis 1976 fungierte er als Chefredakteur der "Presse", bis 1989 war er Herausgeber der Tageszeitung.

Reaktion von Chorherr
Schulmeisters unmittelbarer Nachfolger, der pensionierte "Presse"-Chefredakteur Thomas Chorherr, sagte dem Nachrichtenmagazin: "Ich kann nicht glauben, dass Schulmeister mit der CIA Kontakt gehalten hat." Auch Chorherr war laut "profil"-Bericht "Anfang der 70er Jahre ins Visier der CIA geraten" und habe "ebenfalls in die Akten Eingang gefunden".

Molden: "Ein anderer, als ich dachte"
Der 85-jährige frühere "Presse"-Eigentümer Fritz Molden, dessen Vater Ernst Molden Schulmeister einst engagiert hatte, sagte seinerseits: "Wenn Schulmeister das getan hat, dann war er ein anderer, als ich dachte." Fritz Molden war ein Schwiegersohn des ehemaligen CIA-Direktors Allen Dulles.

Fleischhacker: "Nicht zu rechtfertigen"
In der "Presse am Sonntag" nahm "Presse"-Chefredakteur Michael Fleischhacker zu den Vorwürfen Stellung. "Wenn es stimmt, was laut 'profil' in den Akten steht, dass sich nämlich Schulmeister von der CIA Einschätzungen diktieren ließ und, was schwerer wiegt, auf Anweisung der CIA die Veröffentlichung unliebsamer Informationen unterdrückte, ist das aus heutiger Sicht nicht zu rechtfertigen", so Fleischhacker.

"Dennoch wird man Schulmeister, was die Frage nach dem Ethos betrifft, zugutehalten müssen, dass er sich von der CIA zurückzog, als seine Überzeugungen und die der Amerikaner nicht mehr zur Deckung zu bringen waren."

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