Der Hype um uralte Nähmaschinen

Ein Hoax versetzte ganz Saudi-Arabien tagelang in helle Aufregung.
Während weltweit die Milliardenbetrügereien von Madoff & Co an den Finanzplätzen für Aufregung sorgen, wird Saudi-Arabien derzeit von einem ganz anderen Betrugsskandal "erschüttert": Hunderte wenn nicht Tausende Saudis sind offenbar einem sich in Windeseile in dem Königreich verbreitenden Gerücht aufgesessen, wonach alte Nähmaschinen der Firma Singer ein Vermögen wert seien, weil sie die geheimnisumwitterte Substanz "rotes Quecksilber" enthalten würden.

Der Haken daran: Die Substanz, deren Existenz seit den 1980er Jahren immer wieder für Aufregung sorgte, gibt es vermutlich gar nicht - zumindest wurde sie bisher nicht gefunden.

Simpel und robust
Der Typ von Singer-Nähmaschinen, hierzulande aus Museen oder bestenfalls von der Oma bekannt, ist in Schwellen- und Entwicklungsländern wegen seiner Robustheit und der simplen Bauweise bis heute weit verbreitet.

Jagd auf alte Nähmaschinen
Saudi-arabische Zeitungen zeigten Männer - stolz neben einer der alten Maschinen stehend und auf einen Käufer wartend. Die Zeitung "Saudi Gazette" berichtete, manche seien bereit, bis zu 200.000 Rial (mehr als 40.000 Euro) für eine der alten Nähmaschinen hinzublättern. In einem Fall soll eine Singer sogar für eine halbe Million Rial den Besitzer gewechselt haben.

Als Nachweis dafür, dass ein Gerät tatsächlich das begehrte "rote Quecksilber" enthält, gilt demnach eine denkbar einfache "Methode": Man müsse nur ein Handy in die Nähe der Nadel halten - wird die Leitung dann unterbrochen, gilt das als Beweis dafür, dass die Maschine die sagenumwobene Substanz enthält.

Wundermittel "rotes Quecksilber"
Im arabischen Raum ist die irrige Vorstellung weit verbreitet, dass "rotes Quecksilber" bei der Suche nach verborgenen Schätzen hilft. Ein anderes Gerücht lautet, dass es für den Bau einer Atombombe verwendet werden kann.

Ein Sprecher des Innenministeriums in Riad betonte nach Aufkommen der Medienberichte, die Behörden seien bereits auf der Suche nach den Erfindern des Gerüchts. Er könne aber nicht sicher sagen, ob man diese innerhalb kurzer Zeit finden werde, so der Sprecher gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

"Hoffen auf Profit"
"Die Menschen hoffen auf Profit. Das ist nicht anders als in jenen Fällen, in denen die Leute ihr Geld in nicht vertrauenswürdige Anlagen investieren." Tausende Saudis verloren ihre ganzen Lebensersparnisse, weil sie diese in betrügerische Finanzfirmen gesteckt hatten, die vorgaben, das Geld in Immobilienprojekte zu investieren.

Die saudische Zeitung "El Iktisadija" berichtete, dass die Armut - und der Wunsch nach schnellem Reichtum - die blitzartige Verbreitung des Gerüchts im ganzen Land befördert habe.

Behörden bringen Hoax zum Platzen
Saudische Behörden haben den Hoax aufgedeckt und betont, dass die Existenz von "rotem Quecksilber" völlig unbewiesen sei. All jene Saudis, die auf das Gerücht hin schnell - und vor allem teuer - eines der alten Geräte erstanden hatten, haben nun statt der Aussicht auf satte Profite wahlweise Eisenschrott oder eine zwar haltbare, aber völlig veraltete Nähmaschine.

Freundschaften zerbrochen
Laut "Saudi Gazette" blieb es in vielen Fällen aber nicht beim finanziellen Schade: Denn wegen der Nähmaschinen sei es auch zu heftigen Familienzwisten gekommen, Freundschaften seien in die Brüche gegangen.

Die Zeitung zitierte Fälle von Dörfern, in denen sich Frauen von Nachbarn die Maschinen unter dem Vorwand, etwas zu nähen, ausborgten, die Geräte tatsächlich aber auf dem Markt verkauften.

Andere seien zu Freunden gegangen und hätten die Nähmaschine, die sie diesen vor Jahren geschenkt hatten, zurückverlangt. Auch unter Geschwistern sei es in mehreren Fällen zu Streit um die Geräte der Mütter gekommen.

"Akademiker fallen auf den Blödsinn herein"
Eine Kriminologin der King-Abdulaziz-Universität zeigte sich überrascht: "Wir dachten immer, dass Ungebildete für diese Betrügereien anfällig sind. Doch jetzt sehen wir, wie Gebildete und Akademiker auf diesen Blödsinn hereinfallen."

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