Am Hose-Rock-Streit hängt letztlich eine größere Debatte über das Geschlechterverhältnis von Jugendlichen im gegenwärtigen Frankreich. Es geht um alltägliche Sexismen auf dem Schulhof, um Umgangsformen, bei denen sich, wie zuletzt "Le Monde" erinnerte, die Burschen immer in die Rolle von Königen versetzten - und Mädchen in das Eck von "Schlampen" gestellt werden.
Schwieriges Geschlechterverhältnis
Ein neuer Film thematisiert das schwierige Geschlechterverhältnis auf dem Schulhof und im Klassenzimmer. Im Streifen "La Journee de la jupe" ("Heute trage ich Rock") protestiert die 50-jährige Lehrerin Sonia Bergerac gegen das machistische Gehabe ihrer männlichen Schüler.
Gegen den Ratschlag ihres Direktors geht sie mit Rock ins Klassenzimmer, weil sie sich nicht ihre Kleidungsformen von halbwüchsigen Burschen diktieren lassen will. Was darauf in Gang kommt, ist eine Konfrontation, in der sich die Schüler, vorwiegend mit Migrationshintergrund, auch zunehmend physisch aggressiv gegen die Lehrerin verhalten.
Als einem Schüler eine Pistole aus der Tasche fällt, ergreift die Lehrerin schließlich die Initiative: Sie reißt die Waffe an sich und nimmt die Klasse in Geiselhaft, um mit den verbliebenen Schülern erstmals so etwas wie "normalen" Unterricht abzuhalten.
"Frühling des Rocks"
Der Film, der bereits im Vorjahr auf Filmfestivals vorgestellt wurde, basiert auf realen Begebenheiten. Einen "Tag des Rocks" hatte ein Lycee in der Bretagne das erste Mal ins Leben gerufen - und mittlerweile ist daraus eine jährlich im Frühjahr unter dem Motto "Printemps de la jupe" ("Frühling des Rocks") stattfindende Aktion geworden, an der zuletzt 17.000 Schülerinnen und Schüler teilgenommen hatten.
Mit dem "Frühling des Rocks" spielt man zwar vordergründig auf eine Modebewegung an - im Hintergrund will man aufzeigen, wie sehr Kleidungsformen, simplifizierte Geschlechterrollen und Stereotype zusammenhängen.
Hose, Rock und männliche Macht
An die Fragen von Rock und Geschlechterrolle erinnert auch die Historikerin Christine Bard in einem neuen Artikel. Die Hose, so Bard, sei ein "altes Symbol der Macht". Nicht umsonst heiße es, "die Hosen anzuhaben".
Für Bard hätten sich Frauen immerhin eine relative Freiheit erobert: "Sie können sich entscheiden zwischen einer geschlossenen und einer offenen Kleidung." Eine Form der "männlichen Identifikation" (Hose) erlaube es ihnen, ihre feminine Rolle zu verlassen. Den Männern, die anders als Frauen nicht die Wahl zwischen Hose und Rock hätten, bleibe eine solche Option verwehrt.
Bard sieht in den Debatten über den "Tag des Rocks" einen "Feminismus mit vertauschten Vorzeichen", zumal Frauen diesmal für ein Recht auf Rock demonstrierten. Bards provokante Forderung in diesem Zusammenhang: Männer sollten endlich Röcke tragen - ohne dabei sofort homosexualisiert zu werden.
Der Rock und die Politik
Die Diskussion über das symbolische Tragen eines Rocks ist längst in der Politik angekommen. Als die sozialistische Spitzenkandidatin Segolene Royal, die sonst gerne in Rock oder Kleid vor die Öffentlichkeit trat, im letzten Präsidentschaftswahlkampf den Pariser Problemvorort Clichy-sous-Bois besuchte und dabei in einer schwarzen Hose auftrat, wurde ihr das von der konservativen Seite sofort als Kniefall vor den kulturellen Mustern der männlich dominierten Einwanderer-Vororte ausgelegt.
Von der konservativen Erziehungsministerin Valerie Pecresse forderten Mitarbeiterinnen wiederum per Petition, sie möge in Zukunft nicht nur Hosenanzüge tragen. Die Ministerin gelobte Besserung und versprach, versuchsweise Röcke anzuziehen.
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