Die ÖVP-nahe Schülerunion hat dazu aufgerufen, die Tests für die internationale Bildungsvergleichsstudie PISA zu boykottieren. Allzu großen Widerhall scheint der Aufruf aber nicht gehabt zu haben. Der erste Testtag verlief fast ohne Probleme.
Offener Brief
Die aktuellen Entwicklungen im Bildungsbereich würden sich "zutiefst negativ" auf die Schüler auswirken, heißt es in einem bei einer Pressekonferenz in Wien präsentierten offenen Brief.
Daher habe das Präsidium der gesetzlichen Bundesschülervertretung beschlossen, die PISA-Erhebungen nicht zu unterstützen und alle Schüler zur Nichtbeantwortung des Tests aufzurufen, so Bundesschulsprecher Nico Marchetti.
"Keine Konsequenzen" für Schüler
Mit dem Boykott des PISA-Tests könnten die Schüler "ein treffsicheres Signal setzen, dass die österreichische Bildungspolitik in die falsche Richtung läuft", so Marchetti weiter. Die Schüler werden dazu aufgefordert, den Testbogen "einfach komplett unbeschriftet zu lassen (Wir bitten dich, auch auf keine Fragen zu antworten, deren Antworten du wissen würdest.)".
Nur die Teilnahme am PISA-Test sei verpflichtend, "zur Beantwortung gibt es keine Verpflichtung". Zudem sei der Test "vollkommen anonym", Schüler hätten bei der "Nichtbeantwortung keinerlei Konsequenzen zu befürchten". Der Boykott der Bildungsstudie sei "eines der wenigen Druckmittel, die wir haben", so Schülerunion-Bundesobmann Matthias Hansy.
Schülerunion lehnt Streik ab
Die Schülervertreter erwarten sich, "dass die Ministerin unsere Forderungen ernst nimmt, statt uns zu verhöhnen". Außerdem könnten weitere Aktionen folgen. Einen Streik wie von einigen Schülergruppen gefordert lehnt die Schülerunion aber ab.
Gefordert wurden "Maßnahmen zur innerschulischen Qualitätssicherung und -verbesserung statt Feilschen um Schulstunden", keine zentrale Matura sowie die Einführung von mitbestimmenden Schulpartnergremien auf Bundes- und Landesebene.
Ergebnisse unbrauchbar?
Marchetti berichtete von einer Mail des mit der Abwicklung betrauten Bundesinstituts für Bildungsforschung (BIFIE) an die PISA-Verantwortlichen. Darin würden diese aufgefordert, die Tests nicht zu beginnen, wenn sie den Eindruck bekommen, dass Schüler diese boykottieren wollen.
Die Schülervertreter rechnen damit, "dass der Großteil der Schüler sich beteiligen wird".
Test problemlos angelaufen
Am ersten Tag hat sich die Hoffnung aber nicht erfüllt. Nach Angaben des BIFIE-Direktors Günter Haider wurde an 18 von insgesamt 19 Schulen "ganz normal getestet". "Die Schüler scheinen sehr eigenständig Entscheidungen zu treffen, unabhängig von politischen Beeinflussungsversuchen", sagte Haider Mittwochnachmittag zur APA.
An einer der insgesamt 19 für die Testung vorgesehenen Schulen seien einige für den Test ausgewählte Schüler nicht anwesend gewesen. Da es sich dabei um eine internationale Schule handelt, wisse man noch nichts über die Gründe des Fernbleibens, sagte Haider. Die Schüler würden aber einfach in 14 Tagen nachgetestet. Für Haider ist der erste Tag "besser als gedacht" und "besser als bei früheren Testungen" gelaufen.
80 Prozent müssen teilnehmen
Um zu einem aussagekräftigen Ergebnis zu kommen, müssen österreichweit 80 Prozent der für den PISA-Test ausgewählten rund 7.700 Schüler teilnehmen, heißt es aus dem BIFIE. Zudem müssten 85 Prozent der rund 300 ausgewählten Schulen teilnehmen. Eine Schule wird dann regulär gewertet, wenn dort 50 Prozent der ausgewählten Schüler teilgenommen haben.
Ministerium: "Schüler instrumentalisiert"
Das Unterrichtsministerium reagierte auf den Aufruf mit scharfer Ablehnung. Damit würden "die Schüler für die Interessen der Lehrer instrumentalisiert", sagte der Sprecher von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ), Nikolaus Pelinka.
Zudem werde mit einem Boykott zukünftigen Schülern und Lehrern geschadet, denn die PISA-Studie trage dazu bei, die Schule zu verbessern. Deshalb würde so "die Verbesserung der Schule boykottiert", so Pelinka.
Die Schülerunion sieht man als "parteinahe Schülerorganisation", die sich in den vergangenen Jahren immer nahe der Positionen der Lehrergewerkschaft bewegt habe.
Schüler weisen Vereinnahmung zurück
Das wiederum wies Marchetti zurück: "Wir sehen das nicht als Lehrer-, sondern als Bildungsdebatte." Bei den politischen Forderungen sieht er keine Überschneidungen. "Prinzipiell ist es uns egal, wie viel die Lehrer arbeiten. Uns geht es um Qualität", so Marchetti.
Hansy sprach von einer Zweckgemeinschaft. Außerdem würden ja auch linke Schülerorganisationen gegen Schmieds Pläne demonstrieren.
Die SPÖ-nahe Schülerorganisation Aktion kritischer Schüler (AKS) erachtet einen Boykott der PISA-Studie, die in den vergangenen Jahren große Missstände im Bildungssystem aufgezeigt habe, allerdings als "kindisch und bildungsfeindlich". AKS-Vorsitzender Klaus Baumgartner meinte, Schüler würden für Parteiinteressen instrumentalisiert.
PISA-Organisator bedauert Boykott
Der OECD-Koordinator der PISA-Studie, Andreas Schleicher, fände einen Boykott der PISA-Studie in Österreich "schade". "Damit nehmen sich die Schüler und Lehrer die Möglichkeit, sich im internationalen Vergleich an der Leistungsfähigkeit anderer Bildungssysteme zu messen und von anderen Ländern zu lernen", sagte Schleicher im Ö1-Morgenjournal - mehr dazu in oe1.ORF.at.
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