Klamauk auf hoher See

Philip Seymour Hoffman führt eine Starbesetzung an.
Ein Schiff bringt die Massen zum Tanzen: Mitte der 60er ankert ein illegaler Radiosender auf einem Frachter vor der Küste Englands. Von internationalen Gewässern aus werden die Rolling Stones, Jimi Hendrix & Co. gesendet. Es ist die Zeit der "Radio Rock Revolution", wie die Musikkomödie des britischen Erfolgsregisseurs Richard Curtis heißt.

Flegelnder Rockrabauke
Vielleicht wollte Curtis seinem "Tatsächlich ... Liebe"-Star Bill Nighy ein weiteres Mal die Gelegenheit geben, einen flegelnden Rockrabauken zu spielen, oder er hat sich von Philip Seymour Hoffman als 70er-Ikone Lester Bangs in "Almost Famous" inspirieren lassen.

Beide sind in "Radio Rock Revolution" - im Original heißt das turbulente Musikspektakel "The Boat That Rocked" - nur Teil eines hochkarätigen Ensembles, zu dem etwa auch Kenneth Branagh, Emma Thompson, Rhys Ifans und Nick Frost gehören.

Lernen fürs Leben
Auf dem Schiff "Radio Rock" lebt ein gutes Dutzend Radio-DJs in einer Wohngemeinschaft. Sie widmen ihre Zeit vor allem dem freizügigen Umgang mit Sex, Alkohol, Drogen und unflätigen Scherzen für die Hörerschaft. Am Wochenende werden massenweise Groupies in Booten angeschifft.

Die Anekdoten aus den "Swinging Sixties" werden von der Coming-of-Age-Geschichte des 18-jährigen Carl (Tom Sturridge) zusammengehalten. Der Bursche ist wegen Marihuana-Rauchens von der Schule geflogen. Als unkonventionelle Erziehungsmaßnahme schickt ihn seine Mutter zu seinem Patenonkel auf das Schiff. Dort soll er gewissermaßen fürs Leben lernen.

Wenig Tiefgang
Besonders viel Tiefgang hat die Geschichte nicht, was bei einer Musikkomödie über die Feierlaune der ersten Rock-Generation aber auch nicht wirklich stört.

Die Schauspieler in ihren kunterbunten, übertrieben exzentrischen Kostümen hatten bei dem Dreh offensichtlich viel Spaß. Branagh bietet als Karikatur eines erzkonservativen Ministers mit pomadiger Frisur den Gegenpart zum Partyensemble.

Illegale Alternative zur BBC
Der reale Hintergrund verleiht dem Unterhaltungsstreifen doch etwas Tiefgang. Die 60er waren mit den Rolling Stones, den Beatles und The Who eine große Zeit für die britische Rockmusik. Die BBC spielte allerdings lieber bravere Acts wie Cliff Richards und Frank Sinatra, und private Konkurrenz für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk war damals noch nicht erlaubt.

In diese Lücke stießen die Piratensender, die von Schiffen aus internationalen Gewässern ins Königreich funkten. Der bekannteste Sender war das Vorbild für Curtis' Film, Radio Caroline. Trotz aller Versuche der britischen Regierung, das Piratenradio zu stoppen, existiert der Sender heute noch, inzwischen legal.

Gesetz gegen Radioschiffe
In den 60ern standen Radio Caroline, Wonderful Radio London und unzählige andere Sender unter Dauerbeschuss von der Regierung. Unter anderem dürfte man mitten im Kalten Krieg befürchtet haben, dass die Piraten- als Propagandasender genutzt werden könnten.

Weil der Staat auf die Schiffe keinen Zugriff hatte, wurden die "Hintermänner" zur Verantwortung gezogen. Ein spezielles Gesetz, der Marine Broadcasting Offences Act, kriminalisierte die Belieferung der Schiffe mit Schallplatten, Treibstoff etc.

Warmherziger Klamauk
Der Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Curtis, aus dessen Feder auch "Notting Hill" und "Vier Hochzeiten und ein Todesfall" stammen, ist ein Spezialist für Gute-Laune-Filme. Mit "Radio Rock Revolution" gelang ihm eine balancierte Mischung aus witzigen Dialogen, Klamauk und einem warmherzigen Grundton.

"Wir brauchen echte Witze"
Von der englischen Presse wurde der Film eher verhalten aufgenommen. "The Ship That Sank" ("Das Schiff, das sank") wäre ein geeigneterer Titel, hieß es in dem Magazin "Time Out". Der "Guardian" bemängelte das wenig originelle Drehbuch, das zu sehr auf harmonische Wohlfühleffekte setze. "Bitte, Mister Curtis, genug mit der Warmherzigkeit. Wir brauchen echte Witze!"

Eine interessante Variation der sonstigen Arbeiten des britischen Meisters der Romantic Comedy ist "Radio Rock Revolution" allemal. Etwas mehr Boshaftigkeit nach der Art von Curtis' TV-Hits wie "The Black Adder" hätte aber nicht geschadet.

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