Die Polizei ging davon aus, dass sich die Proteste in den kommenden beiden Tagen an den beiden Veranstaltungsorten des NATO-Gipfels in Frankreich und Deutschland weiter zuspitzen. Nach der Einschätzung der Exekutive haben die Zusammenstöße am Rande des G-20-Treffens die Wut der Demonstranten angeheizt.
Vermummte durchbrachen Absperrungen
Mehr als 500 Demonstranten versuchten, sich am Vorabend des Gipfeltreffens im Zentrum von Straßburg zu versammeln. Ihre Zahl schwoll an, als sich zahlreiche Jugendliche aus den Vororten anschlossen. Dabei kam es zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Bereitschaftspolizisten feuerten Tränengas auf vermummte Jugendliche, die trotz massiver Absperrungen in die Innenstadt von Straßburg vordringen wollten. Auf ihrem Weg warfen die NATO-Gegner die Fenster einer Polizeiwache ein, zündeten Mülltonnen an, zerkratzten Autos und bauten Barrikaden.
Pistole gezogen
In einem Fall zog ein Soldat sogar seine Pistole und richtete sie in den Himmel, nachdem ein Vermummter zuvor eine Stange durch die Frontscheibe eines Militärfahrzeuges gerammt hatte.
Auch am Rande eines Zeltlagers von NATO-Gegnern vor den Toren von Straßburg kam es zu Zusammenstößen. Jugendliche bewarfen Sicherheitskräfte mit Steinen. Diese antworteten mit Tränengas und Gummigeschoßen und drängten die Demonstranten zurück in das Lager.
Organisatoren verurteilen Randale
Die Anführer der Anti-NATO-Bewegung verurteilten die Gewalt. "Wir hegen keine Sympathie für die Randale", sagte Reiner Braun von den Organisatoren des Zeltdorfes. In Baden-Baden versammelten sich etwa hundert Menschen zu einer friedlichen Demonstration. Sie forderten die Staaten auf, weniger Geld für ihre Armeen und mehr im Kampf gegen die Armut auszugeben.
Mehr Aggressivität erwartet
"Wir müssen damit rechnen, dass die Proteste beim NATO-Gipfel deutlich aggressiver werden als in der Vergangenheit", hatte bereits der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, gegenüber der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag-Ausgabe) gesagt. Die Wirtschaftskrise habe die Stimmung der Kritiker gegen die führenden Industrienationen weiter angeheizt.
Freiberg befürchtet zudem, dass "reisende Gewalttäter den Protest der Friedensbewegung gezielt für Randale und brutale Übergriffe auf Polizisten missbrauchen könnten". So könnte etwa der autonome Schwarze Block die Demonstrationen für Krawalle nutzen wollen.
Hartes Durchgreifen angekündigt
Der Vorsitzende der deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte im Interview mit der "NOZ", die Krawalle von London seien "nur ein kleiner Vorgeschmack darauf, was uns beim NATO-Gipfel erwartet".
Er kündigte ein hartes Durchgreifen der Polizei an. "Eine zaghafte Einsatztaktik, die während des G-8-Gipfels 2007 in Rostock zur Eskalation der Lage geführt hat, wird es beim NATO-Gipfel nicht geben."
Wer sich Platzverweisen widersetze oder die friedlichen Proteste erheblich störe, "sitzt für die Dauer des Gipfels in der Zelle", sagte Wendt. Krawallmachern werde mit einer "Null-Toleranz-Strategie" begegnet. Auf deutscher und französischer Seite sind insgesamt bis zu 25.000 Polizisten im Einsatz.
Unterstützung der deutschen Bundeswehr
Dass aber Tornados der Luftwaffe im Tiefflug über Demonstranten donnern und Fotos machen wie beim G-8-Gipfel im Juni 2007 in Heiligendamm, ist nicht zu erwarten. Das sei von der Polizei im Rahmen der Amtshilfe nicht angefragt worden, heißt es bei der Bundeswehr.
Die Luftwaffe stationierte allerdings in Gipfelnähe zusätzliche Abfangjäger, die sofort aufsteigen können, falls Terroristen entführte Flugzeuge auf Baden-Baden oder Straßburg lenken sollten.
Schon Tage vor dem Gipfel wurden die Grenzkontrollen und Sicherheitsvorkehrungen verschärft. In Baden-Baden etwa wird Ausnahmezustand herrschen. Viele Straßen werden gesperrt, alle Schulen bleiben geschlossen. Aus Angst vor Terroranschlägen wurden sogar Kanaldeckel zugeschweißt.
Proteste schon im Vorfeld
In Straßburg gab es schon drei Tage vor dem eigentlichen NATO-Gipfel Auseinandersetzungen zwischen Aktivisten und der Polizei. Bei einer Personenkontrolle vor dem Camp der NATO-Gegner wurden die Sicherheitskräfte am späten Dienstagabend von Vermummten angegriffen, wie ein Polizeisprecher mitteilte.
Am Freitag und Samstag sind Protestkundgebungen geplant, zu denen bis zu 20.000 Teilnehmer erwartet werden. Die deutsche Polizei schätzt, dass unter ihnen rund 3.000 Randalierer sein könnten.
Links: