Kommt das Schlimmste erst?

In den USA leben bereits zahlreiche Menschen in Zeltstädten.
Wie schlimm sich die Wirtschaftskrise noch entwickeln wird, ist unter Experten wie Kommentatoren umstritten. Alarmierend sind Informationen aus den USA - wo die weltweite Krise als Immobilienkrise begonnen hatte - über die rasant steigende Obdachlosenzahlen.

Auch in Europa werden warnende Stimmen laut. Österreich scheint derzeit noch kaum betroffen - hier wirke sich die Krise erst zeitversetzt aus, heißt es.

Slums wie in den 30er Jahren
Schockiert zeigt sich die amerikanische Öffentlichkeit über Reportagen, in denen seit Tagen über die allerorten entstehenden Zeltsiedlungen berichtet wird. Am Rande der großen Städte entstehen plötzlich Slums, weil ganze Familien ihre Häuser und Wohnungen verlieren.

Nach Informationen von CBN berichten Obdachlosenhilfsorganisationen von der Ost- bis zur Westküste über den dramatischsten Anstieg bei Siedlungen von Menschen ohne fixen Wohnsitz seit der Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren. Auch damals waren Slums entstanden - allerdings in viel größerem Stil, als das bisher bei der aktuellen Krise der Fall ist.

"Wird noch schlimmer"
Laut der US-weiten Organisation National Coalition for the Homeless verzeichnen 61 Prozent der Hilfsorganisationen einen dramatischen Anstieg bei Obdachlosen. Genaue Zahlen könne man aufgrund der "versteckten" Obdachlosigkeit nicht nennen.

Viele Menschen könnten bei ihrer Familie, bei Freunden oder in Heimen unterkommen. Aber auch hier heißt es: Immer mehr Menschen würden in einer der neu entstandenen Zeltstädte leben.

"Familienobdachlosigkeit steigt an, und wir glauben, dass diese Gruppe auch von der Kreditkrise am stärksten betroffen ist", sagt Bill Kirlin-Hackett von der Interfaith Taskforce on Homelessness. "Wir nehmen an, dass die Situation noch schlimmer wird, bevor sie sich wieder verbessert."

Wallraffs Obdachlosen-Recherche
Auch Europa hat das Thema erreicht. Deutschland versuchte dieser Tage der Aufdeckerjournalist Günter Wallraff aufzurütteln. Die "Zeit" veröffentlicht, beginnend mit der aktuellen Ausgabe, Reportagen, für die Wallraff diesen Winter wochenlang verdeckt als Obdachloser unterwegs war.

Er berichtet von Schicksalen, wo es schon reichte, dass einem Unternehmer der Hauptkunde wegbrach, um eine Kettenreaktion in Gang zu bringen, die in der Obdachlosigkeit endete:

"Es kann jeden von uns treffen. Wir befinden uns ja längst nicht mehr nur in einer Wirtschaftskrise, sondern in einer sich auswachsenden Systemkrise, in der alles wegzubrechen droht. Die Obdachlosigkeit wird dann kein marginales, sondern ein sehr zentrales Thema werden. Und zwar schneller, als wir uns im Moment vorstellen können", so Wallraff in der "Zeit".

Noch kein Thema in Österreich
Bei der Caritas Wien ist man noch nicht alarmiert. Derzeit gebe es keine akute Zunahme an Obdachlosigkeit, sagt Norbert Partl im Gespräch mit ORF.at. Obdachlosigkeit als Folge der Wirtschaftskrise werde sich wenn, dann erst zeitversetzt auswirken.

Zunächst verliere jemand zwar den Job, beziehe aber noch Arbeitslosengeld. Dann könne er noch bei Freunden oder der Familie unterkommen. Das Leben auf der Straße sei erst die letzte Konsequenz.

Es gebe zwar seit Jahren einen kontinuierlichen Anstieg der Obdachlosigkeit. Im Rahmen der Beobachtung der Szene gemeinsam mit dem Fonds Soziales Wien (FSW) nehme man aber derzeit noch keinen deutlich auf die aktuelle Wirtschaftskrise zurückzuführenden Anstieg wahr.

Anstieg im Sommer?
In Linz war diesen Winter jedenfalls ein Anstieg bei Obdachlosen zu spüren. Womit das zusammenhängt, kann derzeit nur spekuliert werden. Ernst Achleitner vom Sozialverein B37 stellt bereits einen Zusammenhang zur Krise her.

Viele vor allem junge Menschen hätten ihre Arbeit verloren. Zuvor seien sie Leasingkräfte gewesen und hätten am Bau in Containern geschlafen. Als die Arbeitsstelle weg war, sei auch die Schlafstelle im Container weggefallen.

Dazu könnten jetzt auch noch jene Saisonkräfte im Tourismus kommen, die im Winter zwar eine Beschäftigung fanden, aber vielleicht im Sommer nicht mehr, sollte die Wirtschaftskrise andauern, befürchtet Achleitner - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

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