Historische Leerstelle
Anhand von Filmdokumenten, schriftlichem Archivmaterial und Zeitzeugenaussagen wurde in dem Film die bis dahin weitgehend unbekannte Nazi-Geschichte der Unternehmerfamilie erzählt - und damit eine historische Leerstelle gefüllt.
"Wehrwirtschaftsführer" Quandt
Zentralfiguren der Familie Quandt während des "Dritten Reichs" waren Günther Quandt, vom Hitler-Regime als "Wehrwirtschaftsführer" tituliert, und sein Sohn Herbert.
Günther Quandts damalige Firma AFA (Accumulatoren Fabrik Aktiengesellschaft Berlin-Hagen), aus der später Varta hervorging, stellte kriegswichtige Batterien her, die laut der Doku unabdingbar für die deutsche U-Boot-Flotte waren und auch in der Fernlenkwaffe V2 steckten.
SS bewachte "firmeneigenes KZ"
Auf einem AFA-Gelände befand sich ein "firmeneigenes Konzentrationslager". 1.500 Häftlinge wurden aus dem KZ Neuengamme bei Hamburg nach Hannover-Stöcken in die AFA-Produktion verlegt.
Die SS bewachte das Lager. Viele Häftlinge starben wegen der dort herrschenden Arbeitsverhältnisse, die Zeitzeugen drastisch schilderten. In einem internen Papier berechnet Quandt eine "Fluktuation" von 80 Personen - das war wohl die erwartete Todesrate.
Überlebender bekam keine Unterstützung
Ein Überlebender aus Dänemark trat für die Doku auf dem alten Produktionsgelände vor die Kamera und weinte. Er erzählte von den Schikanen und der zerstörten Gesundheit und wie er und andere 1972 nach Deutschland kamen, um von den Quandts Unterstützung zu erbitten - ohne Erfolg.
Auch im Außenlager Pertrix in Berlin-Niederschöneweide wurden Quandts Batterien gebaut - unter Einsatz von KZ-Häftlingen. Unternehmersohn Herbert war als Direktor registriert.
Der Fall Laval
Wie die Familie Quandt mit wirtschaftlichen Konkurrenten umging, belegt der Fall des Luxemburger Unternehmers Leon Laval, dessen Unternehmen Tudor Günter Quandt nach Eroberung des Landes durch die Deutschen übernahm.
Nur seine Aktien wollte Laval nicht verkaufen, auch nicht nach brutalen Verhören durch die Gestapo, mit der Quandt zusammenarbeitete. Laval kam ins KZ, das er wie durch ein Wunder überlebte.
Nach dem Krieg machte ein Münchner Staatsanwalt dem Unternehmer Quandt wegen der Causa Laval den Prozess - doch er scheiterte und wurde schließlich wegen angeblicher Homosexualität des Amts enthoben. Quandt war zu dieser Zeit aus der deutschen Wirtschaft bereits kaum wegzudenken.
Ex-Frau heiratet Goebbels
Wie eng die Verbindungen der Quandts zum NS-Regime waren, zeigt der Film auch an der privaten Geschichte der Familie auf: Magda Ritschel, die zweite Frau Günther Quandts, ließ sich nach acht Jahren Ehe im Jahr 1929 scheiden.
Zwei Jahre später heiratete sie Joseph Goebbels, später Propagandaminister, mit dem sie sechs Kinder hatte, die sie vor dem gemeinsamen Selbstmord mit ihrem Mann im April 1945 im Führerbunker vergiftete.
Trauzeuge war 1931 Adolf Hitler. Ihren Sohn Harald aus der Ehe mit Günther Quandt hatte Magda mit in die neue Familie gebracht. Die Hochzeit fand auf einem Familienanwesen der Quandts statt.
Geheimhaltung bis zur Ausstrahlung
Das Besondere an der Dokumentation war auch, dass sie bis kurz vor ihrer Ausstrahlung letzten Herbst unter Verschluss gehalten und so überhaupt nicht beworben wurde. In den TV-Programmen war stattdessen ein Inge-Meysel-Film angekündigt.
Familie Quandt ausgetrickst?
Die offizielle Erklärung des NDR für die Ausstrahlung "ohne Vorwarnung" lautete damals, dass der Film am selben Tag auf dem Hamburger Filmfest gezeigt worden sei. Deswegen habe sich die ARD entschlossen, den TV-Zuschauern das Stück möglichst zeitnah zu präsentieren.
Ein theoretisch denkbarer Versuch, die Ausstrahlung mit juristischen Mitteln zu verhindern, habe bei dieser Entscheidung keine Rolle gespielt, hieß es damals. Auf dem Filmfest Hamburg hieß der Film nur "Die Familie". Weder der Name Quandt noch die Namen der Regisseure Eric Friedler und Barbara Siebert wurden auch nur genannt.
Sven Quandt: "Das hilft Deutschland nicht"
Von der Industriellenfamilie äußert sich in dem Film lediglich Sven Quandt, Enkel von Firmengründer Günther und 1956 geboren. Sein Großvater starb 1954, sein Vater Herbert Quandt 1982.
Sven Quandt bestreitet, dass er mit dem Erbe auch Schuld übernommen habe. "Es ist ein Riesenproblem, dass man in Deutschland nie vergessen kann. Das hilft Deutschland nicht." Auch andere Länder hätten ähnliche Probleme mit der Vergangenheit, ohne dass diese immer breitgetreten würden, so der Rallyefahrer: Hier aber habe alles so einen negativen Touch.
Eine Nichte Günter Quandts trat ebenfalls vor die Kamera. Sie fragt in dem Film, was man denn damals anderes hätte tun können.
Briten leiteten Akte nicht weiter
Trotz der belastenden Indizien wurde die Familie Quandt bei den Nürnberger Prozessen nur als "Mitläufer" eingestuft. Benjamin Ferencz, einer der Ankläger in den Nürnberger Prozessen, kommt in der Doku zu Wort. Er erklärt, wie die Familie ungeschoren davonkommen konnte.
Die Briten hätten nach dem Krieg wichtige Unterlagen, die die Quandts schwer belasteten, nicht weitergeleitet. Sie hätten offenbar erkannt, welche Bedeutung die Batterieproduktion der AFA auch nach dem Krieg hatte.
Das Werk der deutschen Unternehmerfamilie in Hagen war weitgehend erhalten geblieben und konnte von den englischen Alliierten gut genutzt werden, so Ferencz.
"Wie Flick und Krupp verurteilt"
Auf das Material, das Ferencz fehlte, stießen die Filmautoren 60 Jahre später. Als sie den Nürnberger Ankläger mit den Belegen zum KZ Stöcken und zu Laval konfrontierten, die sie in Archiven gefunden hatten, sagt Ferencz: "Hätte das Gericht damals das alles gekannt, wäre Quandt genau wie Krupp und Flick verurteilt worden."
Links:
- ARD
- NDR
- "SZ"-Artikel (1.10.07)
- "F.A.Z."-Artikel (1.10.07)
- Familie Quandt (Wikipedia)
- BMW