"Kopf wie ein Spinnennetz"

Zahlen für den Ausnahmekönner "Freunde mit eigener Persönlichkeit".
Sie sind ein äußerst seltenes Phänomen - Menschen mit einer Inselbegabung, auch Savants genannt. Sie vollbringen in einem Teilbereich geradezu unglaubliche Leistungen, haben aber zugleich eine kognitive Störung und sind in vielen Fällen Autisten. Weltweit, so Schätzungen, gibt es nur ein paar Dutzend Savants.

Der Brite Daniel Tammet ist einer von ihnen: Er kann komplizierte Rechnungen im Kopf in schwindelerregender Geschwindigkeit ausführen und die Zahl Pi verbal auf mehr als 22.000 Dezimalstellen herunterrattern. Und er kann eine neue Sprache binnen einer Woche lernen - so wie zuletzt Deutsch.

Sprache in einer Woche gelernt
Nach wenigen Tagen intensiven Sprachcoachings kann Tammet nun wie gedruckt sprechen - wie er bei einem Auftritt in der ARD-Sendung "Beckmann" Montagabend eindrücklich unter Beweis stellte.

©Bild: ARD
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Tammet ist zudem einer der wenigen Savants, der seine mentalen Fähigkeiten nicht nur anwenden, sondern auch analysieren und beschreiben kann.

Deutsch eine "saubere Sprache"
Deutsch sei eine sehr schöne, poetische, transparente und saubere Sprache, zeigte sich der 30-Jährige begeistert. Es gebe eine klare Logik, seine Muttersprache Englisch dagegen sei ein "Schlamassel".

Das Beeindruckende ist, wie Tammet lernt: Nach Aussagen seiner Deutschlehrerin habe er die Wörter geradezu aufgesaugt und genauso wiedergegeben, wie er sie gehört habe. Grammatik zu lernen, habe er dagegen strikt abgelehnt. Mittlerweile spricht Tammet acht Sprachen.

Wie Tammet lernt
Der Ausnahmekönner rät allen, die eine Sprache lernen wollen, ähnlich wie er vorzugehen: "Vergessen Sie, was Sie in der Schule gelernt haben." Man müsse Spaß haben beim Lernen. So beginne er immer mit Kinderbüchern, weil diese einfach und lustig seien. Und man solle mit Bildern arbeiten: Wörter, die im Deutschen mit "Str" begännen wie Strand, Straße und Strumpf seien etwa oft lang und dünn.

Sein Kopf sei wie ein Spinnennetz, das die Verbindungen wahrnehmen könne, so der 30-Jährige, der seit Jahren viel bestaunter Gast in TV-Talkshows ist. Nun ist ein Buch von Tammet erschienen, in dem er Lerntipps gibt.

Wissenschaftliches Rätsel
Zum Phänomen der Savants gibt es zahlreiche Theorien. Der australische Forscher Allan Snyder vertritt sogar die umstrittene These, dass grundsätzlich alle Menschen die Fähigkeiten der Savants besitzen, sie aber nicht abrufen können.

Mit Zahlen befreundet
Ein besonderes Verhältnis hat Tammet nach eigenen Angaben seit seiner Kindheit zu Zahlen. Diese würden ihm helfen, sich zu beruhigen, und seien "wie meine Freunde". Er habe das immer visuell wahrgenommen. Zahlen haben in seiner Vorstellung sowohl eine bestimmte Farbe als auch eine Struktur.

Für Banker hätten die Zahlen im Moment vor allem eine Farbe - Rot. Doch bei ihm habe jede Zahl "eine eigene Farbe und Persönlichkeit". So erinnere ihn 89 etwa an fallende Schneeflocken. Seine Lieblingszahl dagegen ist die "glänzende und freundliche" Elf.

Problem mit Gesichtern
Für alle jene, die Tammet um seine außergewöhnlichen Begabungen beneiden, hat er zumindest einen Trost bereit. Denn an manchen Dingen, die für "Normalsterbliche" normal sind, scheitert der Savant: Autofahren ist für ihn etwa unmöglich. Und so gut er sich Zahlen merkt - an Gesichter, selbst die von Freunden, kann sich Tammet nur schwer erinnern, "weil sie sich immer verändern".

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