Krimi mit medialem Echo
Der Schriftsteller wurde Opfer einer Rufmordkampagne, die er nun - in Absprache mit den Behörden - nach einem Jahr Stillschweigen an die Öffentlichkeit brachte. "Das ist keine Erzählung, sondern die wahre Geschichte eines ungelösten Kriminalfalles", begann Heinichen seinen Bericht in der Lokalzeitung "Il Piccolo" vom Samstag, mit dem er seinen Fall öffentlich machte.
Seitdem überschlagen sich nicht nur die italienischen Medien vom Fernsehen bis zu den großen Tageszeitungen mit ihrem Interesse an Heinichens echtem Krimi.
Anonyme Anrufe und Schreiben
Begonnen hatte der Fall bereits vor 14 Monaten mit zwei Telefonaten. In einer Bar und im Restaurant der Lebensgefährtin des Autors hinterließ ein anonymer männlicher Anrufer eine mysteriöse Nachricht mit der Bitte um einen baldigen Rückruf.
"Die Nummer führte zu einem Fax einer angeblichen Reifenwerkstatt mit dem Namen 'Moncini', der Name eines mir damals noch unbekannten Pädophilenfalls, der in den 80er Jahren hohe Wellen geschlagen hatte", sagte Heinichen im Interview mit ORF.at. Die Anrufe kamen aus einer Telefonzelle - für den Autor ein Zeichen, "dass das eine langfristig geplante Strategie ist".
Behörden widerlegen Anschuldigungen
Drei Tage später tauchte der erste Brief auf, adressiert an einen Freund, in dem das erste Mal von Vorwürfen der Pädophilie die Rede war. In Deutschland sei er bereits justizbekannt, so eine Behauptung des Briefschreibers. Heinichen: "Am Anfang habe ich das nicht ernst genommen und sogar über die hanebüchenen Vorwürfe gelacht."
Als mehr Briefe auftauchten, erstattete Heinichen Anzeige. Gegen die Vorwürfe hatten die Behörden bereits Ermittlungen eingeleitet, da einer der Briefe auch das Jugendgericht erreicht hatte. Die Anschuldigungen wurden von den Behörden bald widerlegt.
Strategie akribisch geplant
Die Dunkelziffer der Briefe ist sehr hoch, glaubt Heinichen. Er weiß von rund 50 Briefen, die an Personen, die in seinen Romanen erwähnt werden, Vereine, Buchhandlungen, seinen Ruderclub und Politiker versandt wurden - mit einem rhythmischen Abstand von zwei Wochen.
Immer wieder sorgte der Schreiber auch für Überraschungen und verfasste Briefe und Leserbriefe im Namen des Autors. Ende des vergangenen Jahres etwa schrieb er in der Lokalzeitung von Triest im Namen eines bereits vor zehn Jahren verstorbenen Pfarrers einen Leserbrief, in dem er Heinichen unterstützte und lobte.
Mordfall wieder aufgerollt
Drei Briefe wurden an den Wahltriester persönlich adressiert. Einer davon war ein gefälschter Rauswurf aus dem Ruderclub aus "disziplinarischen Gründen". In den anderen beiden bat der anonyme Schreiber, dass sich der Autor um einen ungeklärten Mordfall aus dem Jahr 2000 kümmern solle.
"Darin wurde mir und meinem fiktiven Kommissar Laurenti geschmeichelt. Der Schreiber meinte, er würde es sehr schätzen, wenn ich mich um den Fall kümmern könnte." Die Ermittlungen zu diesem Mordfall wurden nach diesen Briefen wieder aufgenommen.
Spuren im Haus
Im Oktober hinterließ der Täter erstmals Spuren bei Heinichens Haus. "Das brachte einschneidende Änderungen in meinem Leben. Denn vorher war der Kontakt nur postalisch-abstrakt. Mit diesem Signal gab er aber zu verstehen: Ich weiß, wo du wohnst."
Das Vorgehen zeuge von hoher Professionalität. Auf den untersuchten Briefen waren keine Fingerabdrücke oder DNA-Spuren zu finden. "Das ist ein wissenschaftliches, methodisches Vorgehen eines kühlen Kopfes ohne Fehler, nicht einmal orthographische", analysiert der Autor und schließt daher Motive wie Neid, Eifersucht oder Rache aus. "Denn diese führen zu Erkennbarkeiten und Fehlern."
Politisch motiviert?
Der Täter investiere viel Zeit und auch Geld in seine Aktionen. "Ich habe den Eindruck, dass er motiviert wird", sagte Heinichen mit dem Hinweis auf politische Verstrickungen und organisierte Kriminalität. Er wolle weder etwas ausschließen noch spekulieren, aber in seinen Büchern greife er Themen auf, die angreifbar machten.
"Triest ist eine Regiestadt, die sich nicht stören lassen will. Im neuen Europa ist die Stadt mehr in den Mittelpunkt gerückt. Einige haben Angst vor Machtverlust. Es ist unvermeidbar, darüber nachzudenken", betonte er.
Keine Spur
Um die Ermittlungen nicht zu stören, bewahrte er Stillschweigen über die Vorfälle und nahm Verpflichtungen an, die den ohnedies im öffentlichen Leben stehenden Autor noch stärker präsent machten. Heinichen: "Der Schreiber verfolgt alle Veröffentlichungen über mich und jedes Detail aus meinen Kriminalromanen." Bisher fehlt vom Täter allerdings jede Spur.
Daher entschieden sich die Behörden und Heinichen, den Fall an die Öffentlichkeit zu bringen. "Wir haben ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht und die Regie aus der Hand gerissen", so Heinichen. "Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder geht damit das Spiel zu Ende, da er nun keine Briefe mehr schreiben muss, oder er war auch auf diesen Fall vorbereitet und ändert nun seine Strategie."
Gemischte Reaktionen
Seit seinem Gang an die Öffentlichkeit gab es zahlreiche solidarische Rückmeldungen, aber auch kritische Stimmen. "Die kamen vor allem von rechten Politikern, die den Vorwurf, dass möglicherweise politische Hintergründe hinter dem Fall stehen, als Beleidigung auffassen. Da gibt es den Versuch, alles herunterzuspielen."
Links:
- Veit Heinichen
- Triest (Wikipedia)