"Unsichtbar, so bleiben wir in Vergessenheit - ein Mythos, Menschen ohne Eltern, ohne Geschwister, ohne heterosexuelle Freunde, ohne wichtige Berufe", rüttelte der 48-jährige Aktivist seine Zuhörer auf. Mit "Milk" hat Hollywood dem wegweisenden Politiker jetzt ein Denkmal gesetzt. Der Streifen mit Sean Penn in der Titelrolle läuft am Freitag in Österreich an.
Erster offen schwuler US-Politiker
Milk hatte sich geoutet, als er 1972 von New York nach San Francisco zog, als es in der kalifornischen Hippie-Hochburg noch gefährlich war, offen schwul zu sein.
Er wurde zum Anführer der Homosexuellenbewegung und kam als erster offen schwuler Politiker in den USA zu Amt und Würden. 1977 wurde er im dritten Anlauf in den Stadtrat von San Francisco gewählt.
Diese Aufgabe konnte er nur ein knappes Jahr erfüllen: Am 27. November 1978 wurde Milk im Rathaus von dem konservativen Ex-Polizisten Dan White, ebenfalls Stadtrat, erschossen. Auch der liberale Bürgermeister George Moscone, der sich für die Rechte Homosexueller eingesetzt hatte, fiel dem Attentäter zum Opfer.
Begehrter Hollywood-Stoff
Für US-Regisseur Gus Van Sant ("Good Will Hunting"), selbst eine Ikone des schwulen Kinos, ging mit dem Filmprojekt ein langgehegter Plan in Erfüllung.
Seit Anfang der 90er riss sich Hollywood um den fesselnden Stoff. Robin Williams, Kevin Spacey und Richard Gere wollten Milk spielen, Oliver Stone und "Operation Walküre"-Regisseur Bryan Singer wollten Regie führen. Einmal stimmte das Drehbuch nicht, einmal fehlte das Geld, einmal legte der Autorenstreik in Hollywood das Projekt auf Eis.
Acht Oscar-Chancen
Für bescheidene 20 Millionen Dollar drehte Van Sant ein beeindruckendes, für seine Verhältnisse aber auch überraschend konventionelles Biopic.
Auf avantgardistische Experimente wie etwa in "Last Days", einem nur oberflächlich verschlüsselten Film über den Tod von Kurt Cobain, verzichtet der Regisseur - mit dem Resultat, dass "Milk" nun für acht Oscars nominiert ist.
Das bewegende Drama kann unter anderem Preise in der Königskategorie Bester Film, für Van Sants Regie und für Penns Glanzleistung gewinnen, vollkommen in seiner Figur aufzugehen. Auch Josh Brolin in der undankbaren Nebenrolle als Milks Mörder Dan White kann auf einen Oscar hoffen.
Charme, Witz und Kampfgeist
Ganz locker steigt Van Sant in das Drama ein. 1970, in einer New Yorker U-Bahn-Station, flirtet der Versicherungskaufmann Milk mit einem jungen Hippie (James Franco) und schleppt ihn ab. Mit Sekt und Sex feiern sie Harveys 40. Geburtstag.
Das Paar zieht nach San Francisco. Im Castro-Viertel, heute einem Zentrum homosexueller Kultur, macht Milk einen Fotoladen auf, outet sich, wird zum Sprachrohr der Schwulen. Mit umwerfendem Charme, Witz, Kampfgeist und Hartnäckigkeit mobilisiert er Helfer und zieht Wähler auf seine Seite.
Klassisches Erzählkino
Van Sant zeichnet Milks politischen Werdegang, seine Liebschaften und den gewaltsamen Tod im Alter von 48 Jahren nach. Dabei hält er sich ganz im Stil des traditionellen Erzählkinos eng an die Fakten.
"Es ist das Bild einer recht extremen Politik aus der Mitte der Bürger heraus", mit der Botschaft, "dass man es schaffen kann", sagt Van Sant über sein Porträt des Politikers, der es verstand, Zehntausende freiwillige Helfer für seinen Kampf zu gewinnen.
"Proposition 6" abgewehrt
Im Sommer 1978 setzte sich Milk gegen ein von konservativ-religiösen Gruppen eingebrachtes Referendum zur Wehr, das vorsah, schwule Lehrer aus staatlichen Schulen in Kalifornien zu verbannen.
"Proposition 6" schürte die Furcht der Bürger, homosexuelle Lehrer könnten ihre Schüler manipulieren oder gar belästigen. Es war Milks größte politische Errungenschaft, eine Anti-Diskriminierungsdebatte in Gang zu setzen und die Wahl zu gewinnen.
Umstrittenes Referendum
Auch deshalb ist "Milk" höchst aktuell: Anfang November, parallel zur US-Präsidentschaftswahl, stimmten die Kalifornier über die höchst umstrittene "Proposition 8" ab.
Die Mehrheit sprach sich für ein neuerliches Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe aus, die in dem Westküstenstaat ein halbes Jahr lang gültig gewesen war. Mehr als 18.000 Ehen wurden in dieser Zeit geschlossen. Die Rechtskraft des Referendums ist nach wie vor umstritten, im März soll es dazu erneut Anhörungen vor dem Obersten Gerichtshof Kaliforniens geben.
Links:
- Milk
- Milk-Biografie (Wikipedia)