Wie Starbucks das Leben verändern kann

Gates Gill erzählt die Geschichte vom sozialen Absturz und Neubeginn.
Ein Schicksalsschlag nach dem anderen hat den Mann aus prominenter Familie getroffen, dem das Leben bis dahin Wohlstand, Karriere und "Glück" beschieden hatte.

Wie Michael Gates Gill innerhalb weniger Jahre mit Entlassung, Bankrott und einer schweren Erkrankung fertig wurde und wie ihm dabei der Job als "Barista" in einem Kaffehaus half, schildert der Autor in seinem Bestseller mit dem eingängigen Titel "How Starbucks Saved My Life" ("Starbucks und ich").

Gills Erkenntnis am unteren Ende der sozialen Leiter: auch das Leben mit wenigen Freunden und noch weniger Konsumgütern kann "glücklich machen".

In besten Verhältnissen aufgewachsen
Gates Gill wuchs in den besten Verhältnissen auf. Er erinnert sich an die 25-Zimmer-Villa seiner Eltern und an eine von Hausangestellten behütete Kindheit, in der ihm nichts abging außer der Zuwendung eines vielbeschäftigten Vaters.

Berühmter Vater
Brendan Gill war einer der legendären Autoren der Zeitschrift "New Yorker", der bis ins hohe Alter aktiv blieb. Seine Feste waren kulturelle Treffpunkte der High Society.

Die Präsidentengattin Jacqueline Kennedy, die Schriftsteller Ernest Hemingway und John Updike sowie Popkünstler Andy Warhol zählten zu seinen Freunden.

"Wunderbare Welt"
"Es war toll, als kleiner Bub an dieser wunderbaren Welt teilzuhaben", erinnert sich Gates Gill, "in unseren Anzügen und Krawatten bildeten wir auch an der Yale University eine geschlossene Gruppe. Ehemalige Studenten fühlten sich zur gegenseitigen Hilfe verpflichtet."

160.000 Dollar Jahresgehalt
Einem nicht abgeschlossenen Studium an der Eliteuniversität folgten drei Jahrzehnte im Sold der größten Werbeagentur der Welt. Gates Gill erklomm die Karriereleiter bei J. Walter Thompson und verdiente 160.000 Dollar im Jahr.

Obwohl er dem Arbeitgeber viele Stunden - und sein Familienleben - geopfert hatte, wurde er eines Tages aus heiterem Himmel gefeuert.

Beim Frühstück gefeuert
"Eines Tages wurde ich von einer Kollegin, der ich zu ihrer Anstellung verholfen hatte, beim Frühstück gefeuert. Ich war Mitte 50 und mein Leben veränderte sich danach schlagartig. Ich fühlte mich dumm, meinem Arbeitgeber so viel Zeit geopfert zu haben: An einem Weihnachtsabend, als die Kinder eben beim Auspacken der Geschenke waren, wurde ich zu einem Geschäftstreffen gerufen - ich ließ alles liegen und stehen und setze mich ins Flugzeug."

Die Erfahrung der eigenen Verwundbarkeit teilt Gates Gill mit vielen Managern mittleren Alters, die über Nacht ihren Job und ein stolzes Einkommen verlieren. Nicht aber die Serie von Schicksalsschlägen, die danach folgen sollten.

"Ganz unten" angelangt
"Ich machte den Fehler, mit über 60 Jahren zu einer sogenannten Routineuntersuchung zu gehen. Der eifrige Arzt kam zu mir mit einem Lächeln und sagte: Sie leiden an einer der seltensten Formen von Gehirntumor, aber sie haben Glück, ich bin Spezialist auf diesem Gebiet."

Nach kostspieliger Scheidung, ohne Job und ohne Krankenversicherung, bedeutete die Diagnose des Arztes für Gill den schwersten Schlag: Er war "ganz unten" angelangt. Die demütigende Suche nach einem Arbeitsplatz, der ihm zu einer Krankenversicherung verhelfen sollte, wurde für den 63-Jährigen zum persönlichen Läuterungsprozess.

Anstellung bei Starbucks
"Ich saß in einem Starbucks und wurde plötzlich von der Filialleiterin, die neue Mitarbeiter suchte, dazu aufgefordert, das Bewerbungsformular auszufüllen. Ich brauchte allerdings ihre Hilfe, weil ich mit 63 noch nie ein solches Formular ausgefüllt hatte."

Gates Gill zeigt sich in der Schilderung seiner Probezeit in einer ständig überfüllten Starbucks-Filiale von seiner abgeklärten, altersweisen Seite: Es sind die schwarzen, um gut 40 Jahre jüngeren Kollegen (im Starbucks-Jargon "Partner" genannt), die ihm mit geduldigen Anweisungen, wie man das Klo gründlich putzt und eine Bestellung korrekt weitergibt, am meisten halfen.

Neuanfang mit 63 Jahren
"Ich gehörte im Kreis der jungen, schwarzen Partner zum ersten Mal einer Minderheit an."
Die entwaffnend simple Botschaft des Buchs von lautet: Ein Neuanfang mit 63 ist möglich.

Trotz Handicaps und Vorurteilen hat sich der ehemalige Kreativdirektor in der ihm fremden Arbeitswelt zurechtgefunden. Sein Bericht vom sozialen Absturz und Neubeginn hat viele Leser begeistert.

Happy End
Die Geschichte Gates Gills endet mit einem Happy End. Kein Wunder, dass sich Hollywood für den Stoff interessiert: Tom Hanks kaufte die Filmrechte und wird demnächst unter der Regie von Gus Van Sant jenen Mann spielen, der "dank der Hilfe von Menschen, denen ich in meinem früheren Leben nie begegnet wäre", die Fehler ausbessern und ganz von vorne beginnen darf.

Josef Manola, ORF Madrid