Am Ausstellungstitel "Maria Lassnig. Das neunte Jahrzehnt" hatte sie einiges auszusetzen - als die Plakate und Einladungen schon gedruckt waren: "Ich möchte nicht, dass das Alter so betont wird. Da fühle ich mich so alt, dass ich am liebsten auf allen vieren kriechen würde. Wer den Titel liest, erwartet sich eine Greisin."
Ihre ungebrochene Produktivität spricht eine andere Sprache. Die MUMOK-Schau zeigt, dass die Malerin auf dem Höhepunkt ihrer Kunst ist. Gezeigt werden rund 60 Gemälde aus den vergangenen zehn Jahren.
Zuvor in London und Cincinnati
Ein großer Teil der Bilder war im Vorjahr bei Einzelausstellungen in der Londoner Serpentine Gallery und im Contemporary Arts Center in Cincinnati zu sehen - für die zweifache documenta-Teilnehmerin (1982 und 1997) eine weitere Etappe zu internationalem Ruhm.
Für die MUMOK-Schau wurde die dort gezeigte Auswahl noch einmal ergänzt und erweitert - mit tatkräftiger Mithilfe der Künstlerin: "Selber weiß ich schon am besten, was gut ist und was nicht." Die Hängung diskutierte Lassnig ausdauernd, um schließlich zu 95 Prozent zum Erstentwurf der Ausstellungsmacher zurückzukehren.
Lücken in den Museen
Rund ein Drittel der Exponate wurde noch nie gezeigt, die meisten Werke kommen aus dem Besitz der Künstlerin selbst. Während etwa die Sammlung Essl mit drei Leihgaben in der Schau vertreten ist, stammt kein einziges der gezeigten Bilder aus dem Bestand des MUMOK.
Dieses verfügt zwar über acht Bilder und acht Zeichnungen Lassnigs, jedoch über kein einziges Werk aus jüngerer Zeit. Dieses "Versäumnis" habe zwei Ursachen, so Kurator Wolfgang Drechsler: Einerseits seien die finanziellen Möglichkeiten des Museums begrenzt, andererseits trenne sich die Künstlerin nur ungern von ihren Bildern.
"Die Innenschau ist anstrengend"
Lassnig erfindet sich in ihrer Malerei immer wieder neu, das springt dem Besucher auch in der aktuellen Schau sofort ins Auge.
Sie arbeitet nach langer Pause erstmals wieder mit Modellen, wechselt zwischen Realismus und Abstraktion und lässt sich nicht mehr auf jene Körperempfindungsmalerei eingrenzen, für die sie in den 80ern bekannt war. "Die Innenschau ist anstrengend", sagte sie kürzlich in einem Interview, da seien andere Bildfindungen für sie geradezu Erholung.
Ironisch, anklagend
Lassnigs die Gesichts- und Körperkonturen vor einfärbigem Hintergrund immer weiter reduzierende Bilder (wie "Drei Arten zu sein") treffen auf scheinbar naive Nacktdarstellungen (wie "Adam und Eva mit Apfel" und "Schlafende Männer"), bei denen immer ein wenig Ironie mitzuschwingen scheint.
Heftige Anklagen gegen Männergewalt wie "Der Weltzertrümmerer" und "Der Kinderschänder" sind ebenso zu finden wie eine Serie von geheimnisvollen, mit Licht- und Schatteneffekten arbeitenden Bildern, in denen ihre Modelle in Zellophan bzw. Plastikfolie eingehüllt sind.
Lassnigs "Lebensqualität"
In einem Saal sind zahlreiche Selbstporträts der Künstlerin mit Tieren versammelt, mit Frosch, Ente, Affe, Katze. Hier nicht zu schmunzeln fällt schwer - und man braucht es sich auch wohl nicht zu verkneifen.
Ein Großformat nennt sich "Die Lebensqualität" und zeigt die nackt schwimmende Künstlerin, die unter Wasser gerade von einem Fisch angeknabbert wird, während sie über der Wasseroberfläche ein Rotweinglas balanciert. Auf dem Meeresgrund nimmt man versunkene Städte und Schiffe wahr.
Bilder des Alterns
In nächsten Raum stößt man auf Bilder, in denen sich die so jugendlich wirkende 89-Jährige sehr wohl mit ihrem Alter, ihrer Gesundheit und dem Lebensende auseinandergesetzt hat: ein bedrückendes "Krankenhaus"-Bild etwa, ein durchaus Optimismus ausstrahlendes Selbstporträt mit abgelaufener Sanduhr und eine schaurige "Berührung mit dem Jenseits", bei der der Künstlerin ein Blick hinter den Spiegel gelingt.
Die Ausstellung wird in der MUMOK Factory mit sieben zwischen 1971 und 1992 entstandenen Filmen Lassnigs ergänzt. Ihre New Yorker Trickfilme sowie Aquarelle und Zeichnungen sind ab 14. März in der Ausstellung "Maria Lassnig. Im Möglichkeitsspiegel" im Museum Ludwig Köln zu sehen.
Ausstellungshinweis
"Maria Lassnig. Das neunte Jahrzehnt", bis 17. Mai, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, täglich 10.00 bis 18.00 Uhr, donnerstags bis 21.00 Uhr. Zur Ausstellung ist ein Katalog (172 Seiten, 32 Euro) erschienen.
Links:
- Lassnig-Biografie (Wikipedia)
- MUMOK