Messer in Wohnung von Ex-Freund

Verteidigung: Alleiniger Mörder ist bereits gefasst und verurteilt.
Eineinhalb Jahre nach dem Mord an der britischen Austauschstudentin Meredith Kercher in einer Wohnung in der umbrischen Hauptstadt Perugia sorgt der Fall weiterhin für internationale Schlagzeilen.

Denn auch nach dem Schnellverfahren gegen den von der Elfenbeinküste stammenden 21-jährigen Rudy Guede samt rechtskräftigem Urteil (30 Jahre Haft, Anm.) im Oktober gibt der in Italien als Fall Meredith bekannte Mord noch immer Rätsel auf.

Ein Gericht in Perugia will nun die Rolle des Italieners Raffaele Sollecito und der US-Amerikanerin Amanda Knox klären, wobei Letzterer von der Anklage eine tragende Rolle vorgeworfen wird.

Widersprüchliche Aussagen
Am Freitag werden nun erstmals Zeugen verhört, nachdem zum Prozessauftakt am 16. Jänner nur technische Einzelheiten - unter anderem, ob das auch außerhalb Italien mit großem Interesse verfolgte Verfahren öffentlich zugänglich sein soll - geklärt wurden.

Im Mittelpunkt des Prozesstages dürfte erneut die Frage stehen, ob Knox unschuldig oder tatsächlich eine "verrückte Sexmörderin" ist, so "Guardian"-Kolumnistin Julie Bindel.

Die 21-Jährige und auch deren Ex-Freund Sollecito (24) beteuerten von Anfang an vehement ihre Unschuld. Die Staatsanwaltschaft ist unterdessen von einer Tatbeteiligung überzeugt und wirft den Angeklagten unter anderem vor, sich immer wieder in Widersprüche über die Tatnacht verstrickt und den Ermittlern verschiedene Versionen aufgetischt zu haben.

40 Messerstiche
Für die Staatsanwaltschaft besteht jedenfalls kein Zweifel: Der Plan zum Mord sei "von allen gefasst, beschlossen und ausgeführt worden. Niemand flüchtete oder versuchte, die anderen abzuhalten."

Laut Anklage hätten die drei Beschuldigten in der Nacht zum 2. November 2007 eine wilde Drogen- und Sexorgie gefeiert. Nachdem sich Kercher geweigert habe, bei Sexspielen mitzumachen, sei diese zunächst mit einem Messer bedroht, dann mit mehr als 40 Messerstichen gequält und schließlich ermordet worden.

Am Tag darauf wurde die junge Britin halbnackt und mit durchgeschnittener Kehle in der Wohnung gefunden, die sie gemeinsam mit der US-Studentin und zwei Italienerinnen in Perugia bewohnte.

Mord "zur Befriedigung sexueller Instinkte"
Genährt werden die Vorwürfe der Anklage von der kürzlich veröffentlichen Urteilsverkündung vom abgekürzten Verfahren gegen Guede.

Dieser wurde laut dem damaligen Richter Paolo Micheli der Beteiligung an einem Mord "zur Befriedigung sexueller Instinkte" schuldig gesprochen, wobei im 106-seitigen Bericht von weiteren Tatbeteiligten die Rede ist.

Der spätere Täter konnte demnach in die Wohnung gelangen, "weil ihm die Tür geöffnet worden war, und das konnte niemand anders gewesen sein als Amanda Knox", wie das Online-Nachrichtenportal Europolitan aus der Anklageschrift zitiert.

"Täter bereits verurteilt"
Die Verteidigung von Knox und Sollecito will hingegen geltend machen, dass Guede der alleinige Mörder gewesen sei.

Im Gegensatz dazu beharrte Guedes Verteidigung im Oktober vergangenen Jahres noch darauf, dass dieser Kercher zwar beraubt - mit dem Mord selbst aber nichts zu tun gehabt habe.

Unsaubere Spurensicherung
Guedes Präsenz am Tatort wurde unter anderem dadurch bewiesen, dass er die Toilettenspülung in dem Mordhaus nicht betätigt hatte und so seine DNA-Spuren gesichert werden konnten. Außerdem sei ein Fingerabdruck des Einwanderers von der Elfenbeinküste unter dem Kopfkissen der Toten entdeckt worden.

DNA-Spuren von Knox und Sollecito sollen die Ermittler hingegen auf dem BH des Opfers sowie auf dem Griff des Tatmessers gesichert haben. Die Waffe sei zudem in der Wohnung Sollecitos entdeckt worden.

Dennoch zweifelt die Verteidigung stark an der Relevanz der Indizienbeweise. Vielmehr sei bei den Ermittlungen generell "geschlampt" worden, weswegen wichtige Beweise vernichtet bzw. unbrauchbar geworden seien.

Prozess bleibt öffentlich
Trotz eines Antrags der Familie von Knox wird der Prozess weiter öffentlich stattfinden. Lediglich Filmaufnahmen wurden von Richter Giancarlo Massei untersagt.

Offen bleibt, ab wann ein Urteil zu erwarten ist. Nach Einschätzung der Anwälte könnte der Prozess bis zu einem Jahr dauern.

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