Unehrenhaft entlassen
Thomas (Benno Fürmann), ein unehrenhaft entlassener Zeitsoldat, kehrt für die Beerdigung seiner Mutter nach Jerichow zurück. Dort will er ihr heruntergekommenes Haus renovieren, doch das Geld dafür muss er schon bald an einen Schuldner abtreten.
Durch Zufall lernt er den erfolgreichen Geschäftsmann Ali (Hilmi Sözer) kennen, der in der Region mehrere Imbisse betreibt. Ali bietet Thomas einen Job als Fahrer an.
Riskante Affäre
Der Ex-Soldat beginnt eine riskante Affäre mit Alis Ehefrau Laura (Nina Hoss), die sich immer nur ganz knapp den Blicken des ohnehin misstrauischen Deutschtürken entzieht.
Später wollen die beiden den missliebigen Ehemann loswerden; sie planen einen als Unfall getarnten Mord. Doch Ali kommt ihnen auf die Schliche. So klassisch die Dreierkonstellation klingt, so ungewöhnlich und überraschend löst Petzold sie auf.
Stiller, aber dramatischer Thriller
Tragische Geschichten aus dem Alltag haben es dem Berliner Regisseur angetan. Schon in "Wolfsburg" und "Yella" erzählte er vom auseinanderbrechenden Leben seiner Protagonistinnen nach dem Tod ihres Kindes oder der Trennung von ihrem herrschsüchtigen Ehemann.
Auch sein neues Werk "Jerichow" passt zu dieser Grundidee. Es sind spröde, raue Bilder, die der 48-jährige Petzold hier aus der tristen ostdeutschen Provinz zeigt. "Jerichow" ist jedoch nicht einfach eine Dreiecksgeschichte, sondern entwickelt sich - angelehnt an James Cains Roman "Wenn der Postmann zweimal klingelt" und die Verfilmung von Bob Rafelson - zu einem stillen, aber dramatischen Thriller um Gier, Geld und Leidenschaft.
Ohne Geld keine Liebe
"Man kann sich nicht lieben, wenn man kein Geld hat", lautet zuerst Lauras trostloses Fazit ihrer Affäre. Schließlich aber geben Thomas und sie sich damit nicht zufrieden. Sie wollen mehr und sind sogar bereit, dafür ein Verbrechen zu begehen.
Die innere Leere der Protagonisten wird dabei durch die Weite der Provinz verbildlicht. Denn selbst wenn Laura, Thomas und Ali klare Ziele vor Augen haben, haftet ihnen doch immer etwas Verlorenes und Hilfloses an, sie finden in der Gesellschaft keinen Halt.
An den Rändern der Gesellschaft
"Meine Filme sind keine politischen Filme, die das politische System angreifen, sondern sie spielen an den Rändern von Systemen und Gesellschaften, die anfangen, ihre Gefängnisse, ihr Krankenwesen und Schulen zu privatisieren", sagt Petzold.
Bei dieser Privatisierung werde von den Menschen eine Individualität außerhalb einer Gruppe oder eines Kollektivs verlangt, die sie überfordere. "Das ist das eine große Thema: die Überforderung durch den Neoliberalismus. Und das andere Thema ist: Es gibt gleichzeitig keine Arbeit mehr, aber da unsere Identität auf Arbeit aufbaut, stellt sich die Frage: Wie kann man, wenn man keine Arbeit hat, eine Identität bekommen?"
Mit dem Schlimmsten ist zu rechnen
In "Jerichow" setzt Petzold ein dramaturgisches Uhrwerk in Gang, dessen Rädchen mit geradezu unheimlicher Präzision ineinandergreifen.
Der im Wesentlichen auf drei Personen und ein paar wenige Schauplätze reduzierte Film verbreitet dank hervorragender Darsteller so viel Dichte, Düsterkeit und Ausweglosigkeit, dass in jedem Augenblick mit dem Schlimmsten zu rechnen ist.
Links:
- Jerichow
- Petzold-Biografie (Wikipedia)