"Buykott" statt Boykott

Große Träume der Organisatoren: "Öko-Flashmobs" sollen Multis zu mehr Umweltschutz bewegen.
Was Barack Obama kann, das können wir schon lange - das dachten sich wohl die Erfinder der "Carrotmobs", die so etwas wie ein alltägliches, launig-unterhaltsames Weltverbesserungsinstrument für Bobos sind. Das seit Jahren weltweit verbreitete Phänomen kurzfristig verabredeter Massenaufläufe ("Flashmobs") wird dabei vom zweckfreien Spaßevent zum Lifestyle-Trend mit grünem Akzent.

Ökospaß beim Einkauf
Begonnen hat alles in San Francisco: Erstmals stürmten dort vor mehreren Monaten Hunderte Menschen einen kleinen Supermarkt - wegen des großen Andrangs mussten die meist jungen Kunden stundenlang auf der Straße ausharren - und taten das auch: Wegen des Spaßes an dem spontanen Happening und dem Wissen, mit dem Kauf von Bier, Erdnussbutter, etc. einen guten Zweck zu fördern.

Die Organisatoren hatten nämlich zuvor mit dem "gemobbten" Ladenbesitzer ausgehandelt, dass dieser 20 Prozent des so erzielten Umsatzes für Energiesparmaßnahmen im Geschäft reinvestieren würde - zum Beispiel für Energiesparlampen und sparsamere Kühlschränke. Seither breitet sich das Phänomen über immer mehr US-Städte aus.

Jeder profitiert
Die Idee ist denkbar einfach - und klingt überzeugend: Konsumenten versuchen nicht mehr durch Kaufverweigerung ein Unternehmen zu mehr Öko- und sozialem Bewusstsein zu drängen, sondern durch, dank "Öko-Flashmob", deutlich höheren Umsatz - "Buykott" statt Boykott also.

In anderen Worten: Statt mit der Peitsche sollen Unternehmer mit der Karotte des Umsatzes (daher "Carrotmob", Anm.) zu mehr Ökoengagement verführt werden.

Anleihen bei Obama
Organisiert ist das Ganze nach dem Graswurzelprinzip und via Social-Network-Sites wie Facebook, Twitter und YouTube - angelehnt an das Erfolgsrezept der Obama-Kampagne.

Das Start-up-Unternehmen Virgance versucht dabei, die via Internet einfach und rasch mögliche Mobilisierung von Massen mit den Bedürfnisse von Einzelpersonen in einem Stadtviertel und einen guten Zweck zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell zu bündeln.

Umweltschutz "im Vorbeigehen"
Für Brent Schulkin, einen der Virgance-Gründer, ist die Sache denkbar einfach: Mit dem, was man sowieso machen würde - nämlich einkaufen gehen - gleich der Umwelt helfen. Er wolle die Schwelle, sich aktiv für Umwelt- und Klimaschutz einzusetzen, möglichst weit herabsenken, so Schulkin gegenüber dem "San Francisco Magazine".

Ziel sei es letztlich, so große Massen mobilisieren zu können, so dass solche Ökodeals nicht nur mit kleinen Geschäftsleuten, sondern mit großen Unternehmen abgeschlossen werden könnten: Garantiert höherer Profit also gegen verantwortungsvolleren Umgang mit der Umwelt.

Vierfacher Umsatz
Der Laden in San Francisco, in dem der erste "Carrotmob" organisiert wurde, machte laut Virgance innerhalb von drei Stunden den vierfachen Umsatz. Er hatte sich zuvor in einem Bieterwettbewerb gegen rund 20 andere Läden dank des Höchstgebots - 22 Prozent des Umsatzes für Ökomaßnahmen zu verwenden - durchgesetzt.

"Wie eine Party"
Und trotz der langen Warteschlange war es auch für den "Mob" ein sichtlich unterhaltsames Ereignis. Eine Teilnehmerin zeigte sich gegenüber dem "San Francisco Magazine" jedenfalls begeistert: "Das ist wie ein Party."

Nach Europa sprang die Idee bisher nicht über. Aber auch in den USA bleibt abzuwarten, ob sich für solche "Ökokauforgien" echte "Dauermobber" finden, oder ob sich der Lifestyle-Hybrid aus Öko und Web 2.0 nicht doch rasch wieder überlebt.

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