Eine Woche drehte der Meisterregisseur die Szene, die aus 70 unterschiedlichen Kameraeinstellungen besteht. Die Bilder daraus sind filmhistorische Ikonen: die Hand, die sich in den Duschvorhang krallt, das lange Messer, die entsetzten Augen des Opfers.
Genau geplant
Eine Ausstellung in Berlin zeigt jetzt, wie genau die Szene geplant war - und dass sie nicht allein Hitchcocks Fantasie entsprungen ist.
In "Casting A Shadow. Alfred Hitchcock und seine Werkstatt" im Berliner Museum für Film und Fernsehen ist das Storyboard für die Szene zu sehen, also eine Art gezeichnetes Drehbuch, in dem Kameraeinstellungen und Schnitte wie in einem Comic visualisiert sind.
200 Exponate
Das Storyboard ist eines von mehr als 200 Exponaten, die den Mythos Hitchcock ergründen. Die US-Schau macht pünktlich zur Berlinale ihren einzigen Stopp in Europa. In neun Themenbereichen wird gezeigt, dass Hitchcock keineswegs stets alleiniger Autor seiner Filme, vielmehr ein sehr teamorientierter Künstler war.
"Unglaublicher Teamarbeiter"
Der vor 110 Jahren in der Nähe von London geborene Hitchcock (1899 bis 1980) sei im Gegenteil ein "unglaublicher Teamarbeiter" gewesen, sagte Museumsdirektor Rainer Rother.
"Die Ausstellung zeigt, was man braucht, um einen Alfred-Hitchcock-Film zu machen - außer Hitchcock", sagte er mit Blick auf die vielen Drehbuchschreiber, Kostümbildner, Kameraleute und Komponisten, die alle zusammen den typischen Hitchcock-Stil prägten.
Dazu kommt Hitchcocks enge Zusammenarbeit mit Schauspielern wie Grace Kelly, Tippi Hedren, Marlene Dietrich, Cary Grant und James Stewart. "Es wird der Mythos Hitchcock hinterfragt, aber nicht dekonstruiert", so der Museumschef.
Anspruchsvolle Diva
Beeindruckend sind die vielen Originaldokumente, die die Entstehungsweise der Filme und das Leben am Set dokumentieren.
Da beschwert sich im Jahr 1949 zum Beispiel die Diva Marlene Dietrich in einem Brief an ihre Tochter Maria Riva, dass es bei den Dreharbeiten zu "Die rote Lola" in London nur grässliches Essen gebe - arrogant ignorierend, dass die Briten noch unter den Folgen des Zweiten Weltkrieges zu leiden haben.
Morgens stehe sie um 4.30 Uhr auf, berichtet die Schauspielerin. Und: "Wir arbeiten sogar am Sonntag." Eines der Dior-Kostüme, die Dietrich im Film trug, ist ebenso zu sehen wie ein Blatt, auf dem die Kamerapositionen für die atemberaubende Flugzeugszene mit Cary Grant aus "Der unsichtbare Dritte" skizziert sind.
53 Filme gedreht
Hitchcock, der seine Karriere als Zeichner von Zwischentiteln für Stummfilme begann, drehte 53 Filme in sechs Jahrzehnten. Sein angestammtes Genre war der Thriller.
Zu seinen vielen Klassikern gehören "Rebecca", "Der Fremde im Zug", "Bei Anruf Mord", "Das Fenster zum Hof", "Über den Dächern von Nizza", "Vertigo - Aus dem Reich der Toten", "Der unsichtbare Dritte", "Psycho", "Die Vögel" und "Frenzy".
Frühe Zusammenarbeit mit US-Autoren
Bereits zu Beginn der 40er arbeitete Hitchcock eng mit bekannten amerikanischen Schriftsteller wie John Steinbeck, Dorothy Parker und Raymond Chandler zusammen. Über seine Arbeitsweise geben an Hörstationen Tippi Hedren ("Die Vögel", "Marnie"), Bruce Dern ("Familiengrab"), Karin Dor ("Topas") und auch Hitchcocks Enkelin Mary Stone Auskunft.
In einem Interview für das deutsche Fernsehen berichtet Hitchcock - selbst deutsch sprechend - von seinen kulinarischen Vorlieben und schimpft auf die englischen Hausfrauen, die seiner Ansicht nach nicht kochen können.
Ruhe vor dem "Vögel"-Angriff
Aber vor allem die Storyboards für die verschiedenen Einstellungen berühmter Filme machen einen großen Reiz der Ausstellung aus. Robert Boyle zeichnete mit Kohlestift und Aquarellfarben, wie sich das Filmteam die gespenstische Stimmung kurz vor dem Angriff der "Vögel" vorstellte: Vogelschwärme verdunkeln den Himmel, Krähen lauern im Gebüsch harmlosen Spaziergängern auf.
Links:
- Museum für Film und Fernsehen
- Hitchcock-Biografie (Wikipedia)
- Hitchcock-Filmografie (IMdb)