Dann gab es Terminverschiebungen, Spekulationen über einen totalen Flop und über Cruises schauspielerische Leistung. Einige Monate nach dem US-Start läuft der von Bryan Singer inszenierte Film jetzt auch in Österreich an - und ein erstes Fazit muss lauten: Viel Lärm um wenig.
Genremix
"Operation Walküre" will vieles sein: ein Heist- und Verschwörungsdrama a la "Mission: Impossible" und ein Weltkriegsabenteuerfilm in der Tradition von "Das dreckige Dutzend" und "Der Adler ist gelandet", aber auch ein politisch-historisches Kammerspiel, eine Art Hollywood-Variante von "Der Untergang".
Regisseur Singer hat mit gewagten Genre-Verquickungen durchaus Erfahrung. Die Anfangssequenz im ersten seiner "X-Men"-Comicverfilmungen spielt in einem KZ.
Handwerklich solide
Der Plan, das Stauffenberg-Attentat ähnlich doppelgleisig zu verfilmen - einerseits historisch seriös und gleichzeitig als spannenden Genre-Streifen -, ist interessant. Dass er nicht aufgeht, liegt gar nicht so sehr an der Umsetzung selbst - die ist handwerklich mehr als solide.
Die Debatten über Cruises Beteiligung und die vielen Querelen im Vorfeld stehen dazu in keinem Verhältnis. Und der Schauspieler und prominente Scientologe trug bis zuletzt wenig dazu bei, um diese Fehleinschätzung zu unterbinden.
"Wollte Hitler abknallen"
"Ich wollte Hitler schon als Kind abknallen", sagte er jüngst gewohnt zurückhaltend der deutschen Zeitschrift "Cinema", und die "Bild" zitiert ihn ebenfalls mit den Worten: "Ich hätte alles versucht, dieses Monster zu töten."
Über die schauspielerische Leistung des US-Stars lässt sich streiten. In einigen Szenen lebt er sichtbar auf, zeigt Charisma und Überzeugungskraft, aber oft wirkt er auch blass und unterkühlt, vielleicht aus Angst, die historisch beladene Figur sonst zu überzeichnen, wie manche Kritiker vermuteten.
Beeindruckendes Ensemble
Aber im Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung ist "Operation Walküre" nicht ausschließlich Cruise-Vehikel. Dem 46-Jährigen ist ein beeindruckendes, vor allem in Großbritannien rekrutiertes Ensemble - Bill Nighy, Kenneth Branagh, Tom Wilkinson, Terence Stamp, um nur einige Namen zu nennen - zur Seite gestellt.
"Entweder Deutschland oder Hitler"
Der Film beginnt mit einem Fliegerangriff auf die deutschen Truppen in Nordafrika, bei dem Stauffenberg seine schweren Arm- und Augenverletzungen erleidet. Damit soll symbolisch auch die andere, die seelische Verletzung Stauffenbergs offenbart werden - das Leiden an den Verbrechen Hitlers, dem er mit seinen Offizierskameraden anfangs enthusiastisch gefolgt ist, jetzt verbunden mit dem Entschluss, "das Böse" zu beseitigen.
Zeitweise flackert bei Cruise etwas von der späten Zerrissenheit und Verzweiflung Stauffenbergs auf: Er ist ein Patriot, der seinem Land als vermeintlicher Verräter einen letzten Dienst erweisen muss - "entweder Deutschland oder Hitler".
Finale in der "Wolfsschanze"
Die Dramaturgie findet ihren natürlichen Höhepunkt in den Szenen in Hitlers Hauptquartier "Wolfsschanze". Der körperbehinderte Attentäter kann im letzten Augenblick aufgrund seiner Handverletzungen das zweite entscheidende Sprengstoffpaket nicht mehr zündbereit machen - in der Theorie eine Szene atemberaubender Spannung, bei der Singers Mix aus Geschichte und Entertainment eigentlich aufgeht.
Die letzte halbe Stunde funktioniert aber nur, wenn man die Stauffenberg-Geschichte nicht kennt - was im deutschsprachigen Raum angesichts der umfangreichen Aufarbeitung vor allem im TV nicht der Fall ist.
Neue Wahrnehmung?
Der deutsche Stauffenberg-Biograf Peter Hoffmann, der das Filmteam historisch beraten hatte, hofft jedenfalls auf einen "Wendepunkt in der Einschätzung des deutschen Widerstands": "Bisher war die gängige Meinung in den USA, aber auch in Kanada, dass jeder deutsche Offizier ein Nazi war. Und nun sieht man, dass ein Offizier nicht unbedingt ein Hitler-Gefolgsmann sein muss, sondern vielleicht sogar ein Anti-Nazi sein konnte."
Franz von Stauffenberg, Großneffe des Hitler-Attentäters, ist skeptischer: "Tom Cruise verblasst neben seinen Kollegen", sagte er jüngst im Interview mit der "Welt am Sonntag": "Das Coole fehlt ganz einfach. Insgesamt ist er zu klein."
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