Tragisch und komisch
Skandalregisseur Stone, der Mann hinter dem Verschwörungsstreifen "JFK", hinter diversen Anti-Bush-Werbespots und hinter einer Doku über Fidel Castro, und Bush, der unpopulärste Präsident der US-Geschichte - das ist eine explosive Mischung.
Kritiker hatten von Stone ein mit Abneigung, ja Hass aufgeladenes Machwerk erwartet. Stattdessen liefert der bekennende Bush-Gegner Stone eine tragikomische Satire ab, in der der Präsident als Getriebener erscheint - und beinahe als Opfer jener, die in der US-Politik tatsächlich das Sagen haben.
Keine Chronologie
In "W." wird Bush mit seinen eigenen Waffen geschlagen und bloßgestellt. Einerseits hält sich der Film in vielen Szenen an dokumentierte Zitate und Berichte aus dem inneren Kreis um den 43. US-Präsidenten.
Andererseits ist es keine chronologische Biografie, sondern eine Aneinanderreihung der Highlights aus Bushs Leben. Seine Jahre als Alkoholiker und Frauenheld bis zum Start der politischen Karriere sowie die Phase der Entscheidung über den Angriff auf den Irak werden intensiv beleuchtet.
Bush und sein Stab
Bush (eindrucksvoll dargestellt von Josh Brolin) als hüftenschwingender, großmäuliger und sandwichverschlingender Spross der Bush-Familie wird als Präsident umringt von seinem Stab: Condoleezza Rice als Ja-Sagerin, die Bush nach dem Mund redet, Dick Cheney als Fädenzieher hinter den Kulissen und Colin Powell als aufrechter Skeptiker des Irak-Krieges, der als Einziger Sorgen um die "Boys" im Irak hat.
Besonders das religiöse Sendungsbewusstsein des wiedergeborenen Christen Bush und die schlichte Einteilung in Gut und Böse - wobei Bush immer bei den Guten ist - sind in starken Stellen des Films treffend gezeichnet. Die Diskussionen im Stab über den Beginn des Irak-Krieges sind für weniger politisch Interessierte hingegen etwas langwierig ausgefallen.
Sohn will Werk des Vaters vollenden
"W." ist auch ein Anti-Kriegsfilm: Im Oval Office und im abgeriegelten Situation Room spielt das Schicksal der betroffenen Menschen, der US-Soldaten und der irakischen Bevölkerung keine Rolle, es geht nur um Machtinteressen und strategische Überlegungen zur Energieversorgung.
Der Sohn, der das Werk des Vaters im Irak vollenden will und Saddam Hussein stürzt, ist dabei ein zentrales Thema.
"Eine großartige Story"
Bush sei vielleicht der "schlechteste Präsident in der Geschichte", hatte Regisseur Stone schon vor Drehbeginn erklärt, und die Geschichte werde wohl hart mit ihm ins Gericht gehen.
"Aber das heißt nicht, dass er nicht eine großartige Story ist. Es ist beinahe wie bei Capra: die Geschichte eines Typen, der sehr wenige Talente hat - außer dem, sich selbst zu verkaufen."
In der Zeitschrift "Entertainment Weekly" sagte Stone, dass Bush es geschafft habe, aus dem Schatten seines Vaters herauszutreten, müsse man bewundern.
W. gegen H. W.
Rückblenden in die Trinkerjahre beleuchten ein problematisches Vater-Sohn-Verhältnis, in dem der junge George W. seinen lange übermächtigen Vater George H. W. Bush durch seine Eskapaden immer wieder enttäuscht.
Eine der besten Szenen gibt es, als das Fiasko des Junior nicht mehr zu leugnen ist. Eine surreale, traumverhangene Szene: W. tritt ins Oval Office, wie ein einziger Vorwurf sitzt H. W. am Schreibtisch ("Hier habe ich gesessen"); am Ende umtänzeln einander Vater und Sohn mit erhobenen Fäusten wie zwei Boxer.
Um zehn Jahre zurückgeworfen
Stone hat sich mit seiner Meinung über Bush nie zurückgehalten. Der Präsident habe Amerika um zehn Jahre zurückgeworfen, sagte der streitbare Filmemacher einmal.
In Zusammenhang mit seinem früheren Film "World Trade Center" kritisierte er besonders Bushs Reaktion auf 9/11: "Ab dem 12. September wurde das Ereignis politisiert und es hat die ganze Welt polarisiert."
TV-Hinweis
ORF1 zeigt "Oliver Stone's W. - Das Leben des George W. Bush" am Sonntag um 20.15 Uhr - mehr dazu in tv.ORF.at. Hier der Trailer zum Film.
Links:
- W. (Film-Website)
- Oliver Stone (IMDb)