Für immer jung

Seniorenchor singt Lieder von den Ramones, Radiohead, den Rolling Stones und The Clash.
Eine bunte Truppe mehr oder weniger rüstiger Pensionisten singt "Forever Young", "I Feel Good" und andere Produkte der eigentlich ganz auf Jugendlichkeit bedachten Popindustrie.

Der Dokumentarfilm "Young@Heart" (Kinostart 2. Jänner) erzählt die wunderbare Geschichte eines Seniorenchors aus dem US-Bundesstaat Massachusetts, der eines ganz sicher nicht ist: das, was man sich gewöhnlicherweise unter einem Gesangsverein alter Menschen vorstellt.

Proben mit Hindernissen
Die Gruppe Young@Heart singt Lieder von den Ramones, Radiohead, den Rolling Stones und The Clash - und das alles kommt aus den Kehlen von Menschen, die zwischen 75 und 92 Jahre alt sind. Die Chormitglieder strotzen vor Energie, bestechen durch bissigen Humor und legen eine imposante Gelassenheit an den Tag.

Sieben Wochen lang hat der britische Regisseur Stephen Walker Young@Heart bei den Vorbereitungen auf einen Auftritt begleitet. Die Kamera ist dabei, wenn der barsch-herzliche Chorleiter Bob Cilman bei den Proben kurz davor steht, die Nerven zu verlieren, weil sich die Alten den Liedtext nicht merken können.

Gerührte Häftlinge
Bewegende Szenen fängt das Filmteam bei einem Konzert in einem Männergefängnis ein: Gestandene "Häfnbrüder" kämpfen mit den Tränen, als sie die alten Menschen "Forever Young" singen hören. "Das ist einer der besten Auftritte, die ich je in meinem Leben gesehen habe", sagt einer.

Bowie, Clash, Ramones
Die Auswahl der Songs schwankt zwischen nett - "Golden Years" von David Bowie -, selbstironisch - "Road to Nowhere" von den Talking Heads, "Should I Stay or Should I Go?" von den Clash - und doppelbödig, wenn der Chor "I Wanna Be Sedated" von den Ramones anstimmt.

Wohlklingend ist das nicht immer, schließlich haben die singenden Alten mehr als einmal Probleme damit, Tonhöhen und Takt zu treffen. Aber "Young@Heart" ist weder eine Freakshow noch eine Anbiederung an das wohl überwiegend jüngere Kinopublikum.

"Das existenzielle Ringen der Hobbysängerinnen und -sänger um Lieder, die sie im Radio normalerweise wegschalten würden, passt zur besungenen Wut des Ausgegrenztseins, passt zur Tollkühnheit einer Gang, zu Melancholie und anarchischem Humor, wie sie in den Songs verewigt sind", schreibt die "Welt" dazu.

Einblicke ins Privatleben
Neben dem Fokus auf die so altersuntypische Musik gewährt der Film intime Einblicke in das private Leben der Alten und erweitert dadurch seine Perspektive. So gibt der lebenslustige 76-jährige Charmeur Steve beim morgendlichen Rasieren im Badezimmer seine Weisheiten zu Sex im Alter zum Besten - ein Anknüpfungspunkt zum zweiten aktuellen Senioren-Kinohit "Wolke 9" von Andreas Dresen.

Der charismatische Fred Knittle erzählt in der kleinen Küche seine bewegte Geschichte: Wegen eines Herzinfarkts musste er den Chor zunächst verlassen, für den großen Auftritt kehrt er aber noch einmal auf die Bühne zurück - voller Vorfreude, hochmotiviert, doch von den Sorgen seiner Frau um seine Gesundheit begleitet.

"Man vergisst die Schmerzen"
Der Film ermuntert einerseits, das Altwerden nicht länger als Damoklesschwert zu sehen, ist aber auch dabei, wenn die Realität des Alters brutal zuschlägt.

Regisseur Walker zeigt Menschen, die von Krankheit und Todesnähe gezeichnet sind, aber zumindest für Augenblicke eine Alternative gefunden haben - oder wie ein Chormitglied im Film sagt: "Man vergisst die Schmerzen, wenn man singt."

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