Einsamer Tod des Diktators

Zahl der Opfer Stalins konnten erst Jahrzehnte nach seinem Tod rekonstruiert werden.
30 Jahre lang hat Josef Stalin die Sowjetunion beherrscht, sie brutal mit Millionen von Todesopfern nach seinem Bild umgestaltet. Er machte aus dem rückständigen Agrarland einen Industriestaat, führte es durch den Zweiten Weltkrieg und machte es zur Weltmacht.

Tausende Menschen ließ er verurteilen und hinrichten, selbst ehemaligen Weggefährten und Vertrauten wurden Schauprozesse gemacht. Am 5. März 1953 starb Josef Wissarionowitsch Dschugaschwili.

800.000 Hinrichtungen
Von Beginn der 30er bis Anfang der 50er Jahre wurden insgesamt über 3,5 Millionen Personen wegen "konterrevolutionärer Tätigkeiten" und "Verbrechen gegen den Staat" von Gerichten und Sondertribunalen verurteilt, fast 800.000 davon liquidiert. Erst Jahrzehnte nach dem Tod des Diktators konnten diese Zahlen rekonstruiert werden.

Opposition unterbunden
Von den Hinrichtungen betroffen waren nach diesen Angaben zum Großteil Arbeiter und Bauern. Aber auch hohe Staatsbeamte, KPdSU-Funktionäre, Armeeoffiziere und bedeutende Wissenschaftler wurden von Stalin in seinem Bestreben, jegliche Opposition zu unterbinden, nicht verschont.

Kalkül oder Krankheit?
Ob Stalin aus reinem Kalkül handelte oder - wie oft behauptet - von pathologischem Verfolgungswahn besessen war, konnte nie geklärt werden.

Russischen Zeitungsberichten zufolge hat eine Obduktion seiner Leiche ergeben, dass Stalin in den Jahren vor seinem Tod mehrere leichte Schlaganfälle erlitten habe. Diese hätten Teile seines Gehirns in Mitleidenschaft gezogen und zu psychotischen Reaktionen geführt.

Personenkult trotz Defiziten
Der Personenkult um ihn ließ die unterdrückten Menschen zu ihm aufblicken - und das, obwohl er äußerlich nicht beeindruckend war.

Stalin war 1,62 Meter klein, sein linker Arm verkrüppelt, das Gesicht wie durch einen Schrotschuss von kleinen Pockennarben übersät. Er sprach Russisch mit starkem georgischem Akzent, Schreibstil und rednerisches Talent waren nicht besonders ausgeprägt.

Auch Stalins Fähigkeiten als Theoretiker waren dürftig, kümmerlich auch die Bildung:­ ein abgebrochenes Studium am Priesterseminar. Außerhalb Russlands war Stalin selten gewesen.

Kaltblütig und entschlossen
Aber er konnte sich auf andere Gaben stützen: Als kaltblütig und unerschütterlich in seinen Entschlüssen wurde er von Zeitgenossen beschrieben. Er habe Selbstkontrolle in schwierigsten Situationen, ein bemerkenswertes Gedächtnis, praktischen Verstand und organisatorisches Talent gehabt.

Die Bezeichnungen, mit denen Stalin sich feiern ließ, reichten von "Genius der Nation", "unsterblicher Genius" bis hin zu "Vater des Vaterlandes" und "unnachgiebiger Befehlshaber". Zugleich war er den Völkern der Sowjetunion "die Sonne" und ihr "weiser Führer".

Mitstreiter liquidiert
Auch die Revolutionäre von 1917 wurden fast ausnahmslos liquidiert - niemand, der die Macht des Tyrannen auch nur annähernd hätte gefährden können, überlebte. Fast wahllos wurden auch in den Kriegsjahren hochrangige Generäle der Roten Armee wegen angeblichen Verrats exekutiert.

Keine Hilfe für eigenen Sohn
Kriegsgefangene Landsleute bezeichnete Stalin als Landesverräter. Er weigerte sich sogar, das deutsche Angebot anzunehmen, seinen in Gefangenschaft geratenen Sohn freizulassen. Jakow Dschugaschwili wurde in Sachsenhausen erschossen.

Lange hielt sich auch ein Gerücht, Stalin habe seine zweite Frau Nadejda Allilujewa, die ihn des Öfteren kritisiert hatte, getötet. Tatsächlich hatte sie 1932 Selbstmord verübt.

21 Millionen Tote
21 Millionen Menschen kamen nach Schätzungen unter seiner Schreckensherrschaft um, weitere Millionen vegetierten im weit verzweigten Archipel Gulag, den Straflagern in den Weiten Sibiriens, dahin. Mit seiner rücksichtslosen Nationalitätenpolitik hinterließ Stalin dem riesigen Land Wunden, die mit dem Ende der UdSSR nicht verheilten, sondern blutig aufbrachen.

Wehrmacht trotz Stalin besiegt
Und auch die Ansicht, es sei Stalins einziges historisches Verdienst, Nazi-Deutschland gestoppt zu haben, gilt seit langem als revidiert: Nachdem die Rote Armee unter enormen Opfern die deutsche Wehrmacht in Stalingrad geschlagen hatte, war das zwar der Anfang vom Ende für die Nationalsozialisten.

Doch der Sieg der russischen Armee wurde laut Historikern trotz und nicht wegen Stalins militärischer Fähigkeiten errungen.

Einsamer Tod
Über Stalins Tod ist offiziell wenig bekanntgeworden. Erst Jahre später kamen Details über die letzten Stunden des Diktators ans Tageslicht.

Er starb an einer Gehirnblutung infolge eines Schlaganfalls. Mindestens 14 Stunden lang soll er bewusstlos auf dem Fußboden seines Landhauses gelegen sein, ohne dass ein Arzt gerufen wurde.

Niemand wagte zu stören
Nach Berichten eines Leibwächters war Stalin am frühen Abend des 5. März 1953 auf dem Teppich im Esszimmer gefunden worden - neben ihm das Parteiorgan "Prawda". Er sei dort vermutlich etliche Stunden lang hilflos auf dem Boden gelegen.

Seine Diener hatten es nicht gewagt, den mächtigsten Mann der Sowjetunion zu stören, selbst dann nicht, als die Ruhe ungewöhnlich lange währte. Niemand wagte, ungebeten die Gemächer Stalins zu betreten.

Geheimhaltung angeordnet
Der damalige Chef der Geheimpolizei, Lawrenti Beria, dem der Vorfall mitgeteilt wurde, habe am Telefon gesagt, niemand dürfe etwas über Stalins Gesundheitszustand erfahren, berichtete ein Leibwächter Stalins später.

Kurz darauf sei er persönlich im Landhaus eingetroffen und habe die Leibwächter mit den Worten "Stalin schläft nur" beruhigt.

Leibärzte im Gefängnis
Ein Arzt sei erst am nächsten Tag benachrichtigt worden. Seine langjährigen Leibärzte waren im Gefängnis oder warteten auf ihren Prozess - Stalin hatte eine Verschwörung gegen sich vermutet.

Beria wurde im Juli 1953 verhaftet und der Verschwörung gegen den Staat angeklagt. Im Dezember 1953 wurde er hingerichtet.

"Trauer" in der UdSSR
Trotz der Terrorherrschaft, des unfassbaren Schreckens, der ihr Alltag geworden war, brachen die Menschen in der Sowjetunion in Tränen und Trauer aus, als Radio Moskau meldete: "Das Herz des Waffengefährten Lenins ... hat aufgehört zu schlagen."

Millionen gingen in der UdSSR, die Stalin mit unerbittlicher Härte geprägt, dessen tyrannische Umsiedlungspolitik unermessliches Leid verursacht hatte, trauernd auf die Straße. Sie hatten Angst vor der Zeit danach.

Sein einbalsamierter Leichnam wurde zunächst im Lenin-Mausoleum auf dem Roten Platz an der Seite des Gründers des Sowjetstaates bestattet. 1961 wurde der Sarg aus dem Mausoleum entfernt und neben anderen KPdSU-Größen an der Kreml-Mauer beigesetzt.