Mit diesen Figuren war ein Neuerung in der Kunstgeschichte und Jesus-Anbetung verbunden: Erstmals trat dem Betrachter das Jesuskind alleine entgegen. In den Jahrhunderten davor hatte man das Jesuskind zumindest immer in der unmittelbaren Nachbarschaft seiner Mutter Maria angebetet.
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©Bild: ZDF |
Ein frühes Zeugnis dieses frei stehenden Christkinds bewahrt das Bode-Museum in Berlin in seiner Skulpturensammlung auf. Pausbäckig und ein bisschen pummelig erscheint das Berliner Jesuskind, das von den Franziskanern im Jahr 1320 beim Meister der Madonna von San Agostino in Auftrag gegeben worden sein soll.
Diese Figur soll auch die Vorlage für das weltberühmte "Santo Bambino" in der römischen Kirche Santa Maria del Aracoeli gewesen sein, auch wenn die Legende zu dieser wundertätigen Jesusfigur besagt, sie sei von einem Franziskanermönch aus dem Holz eines Olivenbaums des Garten Gethsemane geschnitzt worden.
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©Bild: ZDF |
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©Bild: Pfarre Christkindl-Steyr/Diözese Linz |
In Österreich ist wohl das Jesuskind der Wallfahrtskirche Christkindl bei Steyr die berühmteste Darstellung eines frei stehenden Christkindes.
Der an Epilepsie leidende Steyrer Bürger Ferdinand Sertl erwarb von den Cölestinerinnen in Steyr ein Christkind aus Wachs, das er in eine geschnitzte Grotte eines Fichtenstamms im "Wald underm Himmel" stellte. Mehrmals in der Woche suchte er den Ort mit dem Christkind zum Beten auf. "Sein Vertrauen", so schreibt die Diözese Linz auf der Website zur Pfarrkirche, "wurde belohnt" und Sertl von der "hinfallenden Krankheit" (so der damalige Ausdruck für Epilepsie) wundersam geheilt.
Der Nische folgt die Prachtkirche
Nach der Heilung Sertls fanden sich zahlreiche Bürger aus Steyr an dem Fichtenstamm ein - und so entwickelte sich eine Wallfahrtsstätte. Es folgte der Bau einer Kapelle und schließlich die Errichtung der berühmten Barockkirche von Giovanni Battista Carlone und Jakob Prantauer. Die zarte Gnadenfigur thront, umgeben von einem Strahlenkranz, auf dem Hochalter - und auch heuer kamen wieder Tausende Menschen an den Ort, um zum Christkind aufzuschauen.
Motiv verselbstständigt sich
Die Verselbstständigung des nackten Jesuskinds zum eigenen Andachtsbildtypus ist durch Abbildungen aus der Spätgotik belegt. Individuelle Nachahmungen des Jesuskindes begannen schon im 14. Jahrhundert. Die ältesten Plastiken finden sich in Deutschland, wo die repräsentative Darstellung aufgrund der visionären Umgebung in Frauenklöstern formuliert wurde.
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©Bild: Bayerisches Nationalmuseum München |
Kostbare Materialien ab dem Barock
Im Mittelalter wurden die Figuren noch aus Holz geschnitzt. In der Barockzeit sind sie bereits aus verschiedenen Materialien wie Wachs, Elfenbein und Bronze gefertigt, wobei man im Barock auch dazu überging, den kostbaren Jesuskind-Skulpturen Festkleider zu nähen bzw. zu schenken.
Vor allem in Frauenklöstern erfreute sich diese Darstellungsform besonderer Beliebtheit und tröstete zugleich auch die der Keuschheit und daher Kinderlosigkeit verpflichteten Nonnen über die Tatsache hinweg, keine eigenen Kinder haben zu dürfen.
Das "Sarner Jesuskind"
Ein besonders eindrucksvolles Beispiel bildet das bis heute hochverehrte "Sarner Jesuskind" des Benediktinerinnenklosters St. Andreas in Sarnen im Schweizer Kanton Oberwalden. Die 50 Zentimeter hohe gotische Holzfigur aus dem 14. Jahrhundert wird bis heute ungebrochen verehrt und macht das Kloster zum viel besuchten Wallfahrtsort.
Briefe und Zettel mit Sorgen und Wünschen der Gläubigen legen die Schwestern zum Jesuskind und nehmen die Bitten in ihre Gebete auf.
Auffallend ist bei dieser Figur ist, dass das Jesuskind sein rechtes Beinchen hochgezogen und die Weltkugel darauf abgestellt hat. Mit der linken Hand zeigt es auf sein gottmenschliches Herz. Nach einer alten Überlieferung von 1634 ist diese außergewöhnliche Stellung auf eine Klosterfrau zurückzuführen, die wegen einer Erkrankung nicht zur Christmette gehen konnte.
Eigene Gewänder für die Figur
Je nach liturgischer Zeit werden dem Jesuskind andere Gewänder angezogen. Die Palette reicht von Kleidern aus rosa Moire über weißen Rips, Leinen- und verschiedenfarbige Seidenstoffe bis hin zu mit kostbaren Metallstücken verziertem dunkelrotem Samt, der Teil eines Prunkkleides der Königin Agnes von Ungarn war und den Klosterfrauen 1364 geschenkt wurde.
Links:
- Steyrer Christkindl (Diözese Linz)
- Bode-Museum (Skulpturensammlung)
- Frauenkloster Sarnen