Deutscher Kommissar für die Welt

Schauspieler hinterlässt Fans auch in China und Afrika.
Seine letzten Jahre verbrachte er sehr zurückgezogen. "Mag sein, dass ich mich seltsam anstelle, aber ich schätze die Ruhe mit meiner Frau", sagte Horst Tappert zu seinem 85. Geburtstag im Mai der Illustrierten "Bunte".

Mit seiner Rolle verwachsen
Viele Fans hätten sich wohl auch den Lebensabend des eigenwilligen Fernseh-Inspektors Stephan Derrick in etwa so vorgestellt. Mit dieser Figur war Tappert verwachsen wie kaum ein anderer Schauspieler mit seiner Rolle.

Diese Authentizität brachte ihm Fans auf der ganzen Welt - auch in China, wo er 500 Millionen Fernsehzuschauer vor den Bildschirm lockte, werden sie nun um den am Samstag Verstorbenen trauern.

"Ich will noch einige Zeit da sein", hatte Tappert in seinem letzten Interview vor sieben Monaten gesagt. Da ging es ihm allerdings schon einige Zeit gesundheitlich schlecht. Schon zu seinem 80. Geburtstag hatte Tappert mit dem Altern gehadert. "Der Teufel will es, dass ich so alt werde. Ich bin dem ausgeliefert", sagte er damals.

Zurückgezogenes Leben
Öffentlich Auftritte mied der Schauspieler schon seit Jahren. Einzige Ausnahme wurde das Jahr 2004, als er seine Stimme für den zum Kultstreifen avancierten Derrick-Zeichentrickfilm "Die Pflicht ruft" gab.

Bei der Vorstellung des Films räumte Tappert auch mit dem Mythos von dem Satz "Harry, hol schon mal den Wagen" auf: Kein einziges Mal fiel das vermeintliche "Derrick"-Zitat über den von Fritz Wepper gespielten Assistenten.

Seriös und oft humorlos
Ein Vierteljahrhundert lang, von 1973 bis 1998, hatte Tappert den erst spät zum Fernseh-Kommissar beförderten Oberinspektor Derrick gespielt.

Immer seriös, meist sehr beamtenhaft-berechenbar und oft humorlos löste der Mann mit den schweren Tränensäcken in 281 Folgen Mord um Mord. Sein Karriereende verlebte Derrick in Den Haag: Drehbuchschreiber Herbert Reinecker beendete die Serie mit einer Beförderung zu Europol.

Vom Buchhalter zum Schauspieler
Den Wuppertaler Beamtensohn Tappert zog es zu Beginn nur mittelbar zu den Brettern, die ihm später die Welt bedeuteten. Aus der Kriegsgefangenschaft kommend bewarb sich der gelernte Kaufmann 1945 beim Theater in Stendal als Buchhalter - und wurde vom dortigen Intendanten zum Schauspieler gemacht.

Der Durchbruch im Filmgenre kam für Tappert mit der Verfilmung des britischen Postzug-Raubes "Die Gentlemen bitten zu Kasse" von 1966. Später folgten Rollen in den damals beliebten Edgar-Wallace-Krimis, in denen Tappert wie etwa in "Der Gorilla von Soho" bereits als Inspektor auf der Seite des Guten stand.

Aufrechter Moralist
Sein "Derrick" stellte dann nach einem eher zögerlichen Start im Oktober 1974 alles andere in Tapperts Leben in den Schatten. Die Serie um den aufrechten Moralisten, der mit stets sorgenvoller Miene und dem leicht überfordert wirkenden Assistenten Harry Klein im Schlepptau den Schauplatz des Verbrechens betritt, entwickelte sich im Lauf der Jahre zum internationalen Exportschlager.

Selbst US-Serien geschlagen
Die in 108 Länder verkaufte Serie wurde so beliebt, dass sie glitzernden US-Serien wie "Dallas" und "Denver" von Frankreich bis Kamerun den Rang ablief. Tappert bekam für die Rolle seines Lebens 1998 das Bundesverdienstkreuz verliehen, weil er damit zum Ansehen der Bundesrepublik in der Welt beigetragen habe.

Minutenlang Dialoge, hölzerne Kameraführung
Das Phänomen "Derrick" wurde überdies zum Gegenstand zahlreicher filmwissenschaftlicher und soziologischer Studien: Die oft als hölzern kritisierte Kameraführung, die lineare Erzählstruktur und minutenlange Dialoge trugen nach Expertenansicht zum Erfolg der Serie bei, weil sie den Helden der Handlung zum berechenbaren Durchschnittsmenschen machten.

"Derrick ist ein Fels in der neuen Unübersichtlichkeit, ein stiller Protest gegen Euro und Globalisierung", schrieb die "Neue Zürcher Zeitung".

"Ein scheiternder Idealist"
Tappert nannte sein Über-Ich überhöhend einen "an der Wirklichkeit scheiternden Idealisten". Im wirklichen Leben war der seit 1957 mit Ursula Pistor verheiratete Tappert durchaus vorausschauender Realist.

Mit Blick auf das näher rückende Lebensende sagte er: "Die größte Angst bereitet mir der Gedanke, dass meine Frau oder ich plötzlich allein zurückbleiben müssen. Das eine ist so furchtbar wie das andere."

Jürgen Oeder und Ralf Isermann, AFP

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