"Paradies auf Erden" mündet in Katastrophe

Sektenmitglieder brachten sich mit vergifteter Limonade um.
Von Rassengleichheit, sozialer Gerechtigkeit und einem liebevollen Umgang miteinander hat Jim Jones, der Sektenführer der Volkstempler, immer geredet. Der Traum vom "Paradies auf Erden" endete für 923 Menschen in einem von ihrem Führer veranlassten Massenselbstmord.

Schreckliche Bilder gingen vor 30 Jahren um die Welt. Mütter mit ihren toten Babys in den Armen, die mit Schaum vor dem Mund umkippten und starben. Wer sich weigerte und zu fliehen versuchte, wurde von Wachen erschossen. Der charismatische Sektenführer selbst wurde mit einem Kopfschuss entdeckt.

Versteckt im Dschungel
Jones, der bereits mit 19 Jahren seine ersten Predigten hielt, gründete die Volkstempler-Sekte in den 50er Jahren in der US-Stadt Indianapolis, später zog er mit seiner Sekte nach San Francisco. Erst als Vorwürfe laut wurden, er halte seine Anhänger mit Gewalt fest und vergewaltige Mitglieder beider Geschlechter, gründete er Jonestown im Dschungel des südamerikanischen Staats Guyana.

Alltag als Sektenmitglied
In der Urwaldkolonie achteten bewaffnete Wachen auf die Einhaltung strenger Disziplin. Das von Jones gepriesene "Gelobte Land" glich mehr einem Arbeitslager. Die meisten Volkstempler arbeiteten auf den Feldern, begleitet von Jones' Stimme, die regelmäßig aus dem Lautsprecher schallte.

Jones' Heilversprechen und der gepredigte liebevolle Umgang miteinander wurden nicht einmal bei den Volkstemplern umgesetzt. Abtrünnige Mitglieder wurden geschlagen, mit Elektroschocks traktiert oder psychisch bestraft. Kinder, die gegen die Regeln verstießen, wurden kopfüber in den Brunnen gehängt.

Anhänger waren "unschuldig und naiv"
"Die Menschen, die sich dem Tempel des Volkes anschlossen, waren wirklich anständige Leute. Sie waren unschuldig und naiv", erinnert sich Deborah Layton, die noch im Mai 1978, ein halbes Jahr vor dem Massenselbstmord, fliehen konnte. Sie erzählt in ihrem Buch "Selbstmord im Paradies" über ihre Erfahrungen als Sektenmitglied.

"Seine Anhänger wollten sich an etwas beteiligen, das größer war als sie selbst. Niemandem kam es in den Sinn, dass ihnen ihr Leben genommen würde", schreibt Layton, die nach ihrer Flucht die Behörden vor der Sekte warnte.

Kontrolle von außen
Aber erst einige Monate später, am 17. November, besuchte der amerikanische Kongressabgeordnete Leo Ryan mit Journalisten und Angehörigen der Sektenmitglieder das Dschungeldorf, um die Vorwürfe von sexuellem Missbrauch von Sektenmitgliedern, Folter und unzumutbaren Lebens- und Arbeitsbedingungen zu prüfen.

Geboten wurden ihnen begeisterte Schilderungen über das Leben in Jonestown und ein rauschendes Fest. Kurz vor der geplanten Abreise Ryans am nächsten Tag schlug die Stimmung um. Abtrünnige Sektenmitglieder wollten sich der Delegation anschließen - ein unverzeihlicher Verrat für Jones. Der Kongressabgeordnete und fünf weitere Mitglieder seiner Delegation wurden erschossen, einige verletzt.

Giftige Limonade
Jones befürchtete Konsequenzen nach der Ermordung des Abgeordneten und eine Invasion durch US-Truppen. Seine Paranoia erlebte ihren Höhepunkt. Der Sektenführer verbreitete Weltuntergangsstimmung, forcierte den kollektiven Wahnsinn, und noch am selben Tag veranlasste er den Massenselbstmord seiner Anhänger: "Wenn man uns nicht in Frieden lässt, so wollen wir jedenfalls in Frieden sterben", versuchte er die Jonestown-Bewohner zu beruhigen. "Der Tod ist nur der Übergang auf eine andere Ebene."

Mehr als 900 Sektenmitglieder starben in der Folge an mit Zyankali vergifteter Limonade. Kinder wurden zuerst getötet, Babys das Gift in den Mund gespritzt. Nur wenige überlebten den Massenselbstmord.

"Sie haben uns einfach umgebracht"
Als völlig freiwillig kann das Massensterben aus religiösem Wahn nicht bezeichnet werden, wie Überlebende später berichteten. Es wurden zahlreiche Wachen postiert, die Fliehende erschossen. Einige Anhänger, die es schafften, sprachen später von Massenmord. "Sie haben uns einfach umgebracht", erzählt das frühere Sektenmitglied Tim Carter in dem Film "Jonestown" von Stanley Nelson.

Die ehemalige Sektenkolonie existiert in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr. Das einst proklamierte Paradies brannte Mitte der 80er Jahre ab.

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